Thailand:Furcht vor drakonischer Strafe

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Anfang August sagte Yingluck noch vor dem Gericht in Bangkok aus. (Foto: Sakchai Lalit/AP)

Die frühere Regierungschefin Yingluck Shinawatra ist vor dem Urteil im umstrittenen Korruptionsprozess ins Ausland geflohen.

Von Arne Perras, Singapur

Als Yingluck Shinawatra nicht zum Gerichtstermin erschienen war, hatten manche längst einen Verdacht: Vielleicht war die gestürzte Premierministerin bereits über alle Berge. Geflohen wie einst ihr Bruder Thaksin, jener Ex-Premier und Milliardär, den seine Gegner wegen Korruption und Amtsmissbrauch hinter Gitter bringen wollten. Déjà-vu in Thailand. Am Freitag war es wieder so weit.

Die Anwälte Yinglucks hatten zu diesem Zeitpunkt noch verkündet, ihre Mandantin sei krank und könne deshalb nicht erscheinen. Das Gericht hatte die Urteilsverkündung für Freitag angesetzt. Und als die Angeklagte nicht erschien, haben die Behörden einen Haftbefehl gegen die frühere Regierungschefin erlassen. Kurze Zeit später wurde dann in Kreisen ihrer Partei bestätigt, dass Yingluck das Land bereits verlassen habe.

Im Prozess vor dem Verfassungsgericht musste sich Yingluck wegen mutmaßlicher Verschwendung und Korruption im staatlichen Reissubventionsprogramm verantworten. Unter ihrer Führung hatte der Staat damals den Bauern die Ernte zu festgesetzten Preisen abgenommen, die doppelt so hoch lagen wie auf dem Weltmarkt. So soll dem Land nach schwankenden Berechnungen zwischen acht und 17 Milliarden US-Dollar Schaden entstanden sein. Nachdem die Richter Yingluck 2014 abgesetzt hatten und kurz darauf das Militär putschte, wurde das Verfahren vorangetrieben. Am Freitag sollte das Urteil fallen. Bei einem Schuldspruch drohen ihr zehn Jahre Gefängnis.

Yinglucks Flucht dürfte es kaum leichter machen, die politischen Gräben in Thailand zu überbrücken und eine baldige Rückkehr zur Demokratie zu organisieren. Denn diese Frau wurde einst mehrheitlich gewählt. Nun verfestigt sich das Bild, dass sie von einer drakonischen und politisch befangenen Justiz gejagt wird. Ein Ausgleich in Thailand dürfte jetzt noch komplizierter werden. Das Militär möchte Versöhnung von oben verordnen, hat damit aber keinen Erfolg, was kaum überrascht.

Korruption und mutmaßliche Verfehlungen sind in allen politischen Lagern verbreitet. Trotzdem hat das Verfahren gegen Yingluck vor allem die Merkmale eines politisch motivierten Strafprozesses, der nach Ansicht von Analysten einem Ziel dient: der politischen Zerschlagung des Shinawatra-Klans. Ihn betrachten die Militärjunta und mit ihr verbündete alte Eliten Thailands als Bedrohung ihrer Macht und Pfründe. Die Hilfen für Bauern machten Yinglucks Partei bei der Mehrheit beliebt. Deren Gegner, allen voran die städtischen und königstreuen Eliten in Bangkok, suchten nach Wegen, diesen Siegeszug des populistischen Shinawatra-Clans zu beenden. Das Militär kam ihnen dabei zu Hilfe. Deshalb tun sich die Generäle nun auch schwer, die neutralen Vermittler zu geben. Alle wissen, wo sie stehen.

Die Bangkok Post berief sich auf unbestätigte Berichte, wonach Yingluck schon Mittwoch aufgebrochen sei, zunächst über die Grenze nach Kambodscha und dann mit dem Flugzeug nach Singapur, womöglich weiter nach Dubai. Dort lebt ihr Bruder Thaksin, auch ein Ex-Premier, der 2008 wegen drohender Haft außer Landes floh. General Prayuth Chan-ocha, der 2014 die Macht übernahm und nun im Gewand des Premiers regiert, sagte über das Fehlen Yinglucks vor Gericht: "Ich dachte, sie sei mutig genug zu erscheinen." Ein anderer Angeklagter ihres Kabinetts, Ex-Handelsminister Boonsong Teriyapirom, wurde zu 42 Jahren Haft verurteilt. Das drakonische Strafmaß erhärtete den Verdacht unter Kritikern, dass die Justiz den Interessen jener Putschisten folgt, die Thailand seit 2014 eisern im Griff halten.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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