Thailand:Der Fixstern ist erloschen

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Ein Volk trägt schwarz: Die Bewohner Thailands beklagen den Tod ihres Königs - in die Tauer mischt sich Verunsicherung, wie es weitergeht. (Foto: ATHIT PERAWONGMETHA/REUTERS)

Während Thailand um König Bhumipol trauert, lässt dessen Sohn seine Krönung verschieben. Die bestimmende Macht im Lande dürfte weiter das Militär bleiben.

Von Arne Perras, Lovina

Als sie noch bangten um das Leben ihres Königs, trugen viele Thailänder rosa. Sie hofften auf die Kraft der Farbe, sie sollte den kranken Monarchen noch einmal stärken. Doch am Donnerstag war dem 88-jährigen Bhumibol Adulyadej nicht mehr zu helfen. Und so war das Bunte in Bangkok schnell verschwunden. Nach dem Tod des Monarchen trugen Millionen Thailänder am Freitag: schwarz.

Schon gegen Mittag säumten die Massen in der Hauptstadt die Straßen. Sie warteten auf die Königskarossen, die den Leichnam vom Siriraj-Krankenhaus in den Palast bringen sollten, wo ihm Mönche ein zeremonielles letztes Bad bereiteten. Nach buddhistischem Ritus gießt die Familie Wasser über die rechte Hand des Toten, bevor er in den Sarg gebettet wird.

Viele rätseln, wie es weitergeht in dem Land, das der König sieben Dekaden zusammenhielt

Thailand trauert um seinen König, und das Volk tut es mit einer Intensität, wie man sie wohl nur selten findet. Für die Phase der Trauer hat die Regierung ein ganzes Jahr angesetzt, solange verbleibt der Sarg voraussichtlich im Palast. Erst danach ist mit einer Verbrennungszeremonie zu rechnen. Für die meisten Thailänder war Bhumibol weit mehr als ein Monarch: Er war der Fixstern ihres Lebens. Nun ist er erloschen, und viele rätseln, wie es weitergeht in ihrem tief gespaltenen Land, das ihr geliebter König sieben Jahrzehnte lang zusammenhielt. Zuletzt gelang ihm dies nur noch mit Mühe, weil er krank war und kaum noch eingreifen konnte in die politischen Querelen. Biograph Paul Handley, der ein in Thailand verbotenes Buch über die Ära Bhumibol schrieb, kommt in einer neuen Analyse zu dem Schluss, dass es dem Monarchen all die Jahre nicht gelungen sei, für eine stabile Zukunft seines Königreichs zu sorgen. Das liege auch daran, dass sich der Thron abhängig gemacht habe vom Militär. Als der König schwächer wurde und die Spannungen zwischen den verfeindeten politischen Lagern wuchsen, putschten die Generäle und versprachen, die Einheit der Nation und die Monarchie zu schützen. Doch nun deutet wenig darauf hin, dass sie ihre Rolle als Herrscher bald aufgeben könnten.

Nicht, dass die Thailänder ihre Sorgen offen zum Ausdruck bringen. Debatten über die Zukunft der Monarchie und ihre Rolle gibt es nicht, strikte Gesetze zum Schutz der königlichen Familie verhindern alle Diskussionen. Majestätsbeleidung kann mit bis zu 15 Jahren Gefängnis geahndet werden. Und als beleidigend werden oft schon Äußerungen eingestuft, die man in anderen Ländern als völlig harmlos empfindet. Allein solche Fälle zu benennen, kann schon als Verstoß gegen das Lèse-Majesté-Gesetz ausgelegt werden.

Das Militär, das nach seinem unblutigen Putsch 2014 die Kontrolle übernahm, machte von dem Paragrafen besonders oft Gebrauch, Militärgerichte verhängten drakonische Strafen, was viele Freidenker einschüchterte. Sollte sich nun Furcht in die Trauer um den König mischen, wird kaum jemand wagen, das zu zeigen. Thailands Massen, sie gedenken ihres verstorbenen Monarchen in aller Stille.

Nur die Mächtigen führen das Wort: "Lange lebe der neue König", erklärte Prayuth Chan-ocha in der Nacht nach dem Tod Bhumibols. Der General, der 2014 den Putsch anführte, hat angekündigt, dass Kronprinz Maha Vajiralongkorn die Nachfolge antreten werde. Eigentlich wissen die Thailänder das schon seit 1972, als der einzige Sohn des Königs zum Thronfolger bestimmt wurde. Das Militär, das sich als selbstloser Hüter der Monarchie in Szene setzt, hat das nun noch einmal bestätigt. Doch dem hat Prayuth noch einen wichtigen Satz hinzugefügt, der viele nachdenklich macht: Der Kronprinz habe um Zeit gebeten, um an der Seite des Volkes zu trauern, bevor er den Thron besteigen könne, so Prayuth. Wann die Krönung stattfinden soll, ließ er offen. Thailändische Medien berichteten am Freitag, dass der Vorsitzende des Kronrats, General Prem Tinsulanonda, 96, so lange zum Regenten auf Zeit ernannt worden sei.

Was all das bedeutet? Dürften die Thailänder darüber diskutieren, würden sie es tun. Doch vorerst sind es nur ganz wenige, die es wagen, Fragen zu stellen. Der Politologe Somsak Jeamteerasakul twitterte: "Spielen der Kronprinz und Prayuth ein gefährliches Spiel?" Manche haben zumindest den Eindruck, dass die Mächtigen auf Zeit spielen. Und das dürfte der gespaltenen Nation das Gefühl der allgemeinen politischen Verunsicherung kaum nehmen.

Der Kronprinz ist 64 Jahre alt, dreimal geschieden und hat viel Zeit in Deutschland verbracht. Wie das Volk zu ihm steht, wird manchmal in den Medien mit dem vorsichtigen Satz umschrieben, dass er nicht dasselbe Maß an Bewunderung auf sich gezogen habe wie sein Vater. Zumindest eine seiner drei Schwestern gilt als sehr populär, doch sieht die Verfassung einen männlichen Thronfolger vor.

Die Ankündigung des Generals legt nahe, dass sich an der Rolle des Militärs erst einmal nichts ändert. Doch wachsende Spannungen im Land machen es den Generälen schwer, ihren Anspruch als selbstlose Wächter zu erfüllen. Vor allem, weil sie nicht als objektive Vermittler im Streit zwischen den politischen Lagern gesehen werden und die demokratischen Rechte eingeschränkt haben. Seit Jahren gelingt es nicht mehr, die Spannungen zu entschärfen, die sich aus der Modernisierung des Landes ergeben. Die alten königstreuen Eliten, die sich etwas vereinfacht unter dem Begriff der Gelbhemden zusammenfassen lassen, wollen ihre Macht verteidigen. Die rivalisierenden Rothemden machen den Kern der Gefolgschaft des Shinawatra-Clans aus. Die superreiche Familie hat schon zwei Premiers hervorgebracht, Thaksin und Yingluck. Beide wurden von den reaktionären Kräften gestürzt. Das Lager der Shinawatras hat noch jede Mehrheitswahl in Thailand gewonnen, weil sie die auf dem Land lebenden Massen hinter sich wissen. Das Militär stellt sich aber schützend vor die alten Eliten und hilft ihnen, die Pfründe zu retten.

Niemand weiß, wann die Generäle die Herrschaft wieder abgeben werden. In einem Entwurf für eine neue Verfassung haben sie eine maßgebliche politische Rolle für das Militär verankert. Welche Rolle ein neuer König in diesem Ringen um Thailands Zukunft spielen wird, ist völlig offen. So, wie die Dinge am Tag eins nach Bhumibols Tod liegen, wird sich am Schwebezustand des Königreichs so bald nicht viel ändern.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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