Bangkok:Thailand befürchtet Selbstjustiz nach dem Tod des Königs

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Eine Frau betet vor einem Porträt des verstorbenen Königs an der Mauer der Silpakorn Universität in Bangkok. (Foto: ZUMA Press/Imago)

Um die Ehre des verstorbenen Königs Bhumibol zu schützen, schrecken manche Trauernde vor Gewalt nicht zurück. Die Politik reagiert verzagt.

Von Arne Perras, Singapur

Zehntausende Trauernde strömen nun Tag für Tag zum Königspalast in Bangkok, um sich von ihrem Monarchen zu verabschieden. Damit alles möglichst reibungslos verläuft, hilft die Armee dabei, Straßen zu sperren, die Massen einzuweisen und den Verkehr zu lenken. Allerdings verblüfft es nun doch, was für ein gewaltiger Truppenaufmarsch dafür in Gang gesetzt wurde. Wie die Tageszeitung Bangkok Post berichtet, hat das Militär 40 000 Soldaten rund um den Palast am Ufer des Chao Praya stationiert. Der Kommandeur der Truppe sagte, seine Soldaten seien mit vier Aufgaben betraut: geheimdienstlicher Aufklärung, öffentlicher Sicherheit, Service und Verkehrsmanagement. Nichts wird also dem Zufall überlassen in den Tagen nach dem Tod von König Bhumibol Adulyadej, der sieben Jahrzehnte lang das Land regierte und zusammenhielt.

Einige Wochen vor dem Tod des Königs gab es eine mysteriöse Anschlagsserie

Sollte hinter dem massiven Aufmarsch der Armee die Sorge stehen, dass Bombenanschläge verübt werden könnten, so lassen sich die Generäle nichts anmerken, sie sprechen mit keinem Wort darüber. Doch allen Thailändern ist noch in Erinnerung, dass einige Wochen vor dem Tod des Königs eine mysteriöse Anschlagsserie das Land erschütterte, die das Militär unter Druck brachte. Die Soldaten am Palast seien rund um die Uhr im Einsatz, versicherte ein Generalmajor, die Trauernden hätten nichts zu befürchten.

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Die meisten bringen Girlanden aus Ringelblumen, Lotusblüten und Orchideen und legen sie vor den weißen Mauern ab, so viele Blumen häuften sich in diesen Tagen, dass städtische Arbeiter die Berge schon wieder einsammeln mussten, um Platz für neuen Schmuck zu schaffen. Schon nachts sammeln sich die Massen und warten stoisch darauf, am Morgen eingelassen zu werden, sie kommen mit Zügen und Bussen aus dem ganzen Land. Jeweils hundert Leute dürfen schwarz gekleidet hinein und strömen in einen Pavillon, wo sie sich vor einem Porträt des Königs in Ehrerbietung niederwerfen. Danach tragen sie sich in Kondolenzbücher ein.

Ein Mob bestrafte angebliche Königsverächter

Unterdessen spielte sich andernorts in Bangkok eine bizarre Szene ab, die dem Staat größere Sorge bereitete. Ein bewaffneter Mann postete ein zwölfminütiges Video auf Facebook, in dem er am Steuer seines Autos sitzt. Auf dem Rücksitz ist ein Porträt des Königspaars zu sehen, er filmt sich selbst, wie er herumfährt, er berichtet von seiner Liebe zum königlichen Vater, er weint, aber dann richtet er die Kamera irgendwann auf zwei Pistolen, die er auf dem Sitz liegen hat. Und er droht: "Warum diffamieren Menschen den König? Ich könnte heulen. Aber diese fluchenden Leute, ich werde sie alle erschießen, verdammt." Später wiederholt er: "Wenn ich euch sehe oder höre, dann sterbt ihr."

Die Sicherheitskräfte fahndeten am Donnerstag nach dem Mann, er wirkt wie ein pathologischer Einzelfall. Dennoch zeigte sich in den vergangenen Tagen, dass Ultra-Royalisten nicht vor Gewalt zurückschreckten, um angebliche Beleidigungen des Königs durch Selbstjustiz zu ahnden. Mehrere Fälle wurden bekannt, in denen ein Mob angebliche Königsverächter bestrafte, indem die Menge die Verfolgten prügelte und anschließend zwang, sich vor einem Bild des Königs auf den Boden zu werfen. In einem Fall schlug eine Frau auf eine andere in einem Bus ein, ein Polizist sah zu.

Majestätsbeleidigungen werden mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft

Anstatt Übergriffe zu verurteilen, hat Justizminister Paiboon Koomchaya sie mit der Aufforderung kommentiert, dass Leute, die den König beleidigten, "sozial bestraft" werden müssten. Ein Editorial in der Bangkok Post stufte seine Worte als "extrem gefährlich" ein, weil sie zu weiteren Übergriffen ermunterten. Der regierende General Prayuth Chanocha scheint dies inzwischen ähnlich zu sehen, denn er hat, anders als sein Minister, die Vorfälle von Selbstjustiz kritisiert. Die Militärregierung wandert nach Einschätzung des Onlineportals Khaosod auf einem schmalen Grat. Einerseits will sie eigenmächtige Gewalt aus den Reihen von Königstreuen verhindern, andererseits erwartet sie vom Volk, dass es jede mutmaßlich abfällige Bemerkung über den Monarchen und dessen Familie meldet, damit die Justiz die Verfolgung Verdächtiger aufnehmen kann. Die Strafen sind drakonisch. Nach dem Gesetz zur Majestätsbeleidigung werden Diffamierungen des Königshauses mit drei bis 15 Jahren Haft geahndet.

Die seit 2014 herrschende Armee hat den Paragrafen 112 besonders oft genutzt, und seit dem Tod Bhumibols häufen sich die Verfahren noch rascher. Mindestens zwölf neue Fälle wegen Majestätsbeleidigung im Internet werden allein seit vergangenem Donnerstag untersucht. Bangkok fordert außerdem in Briefen an sieben Nationen, 19 Thailänder auszuliefern, die sich im Exil der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht hätten.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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