Als Jacob Church am 26. Mai 2012 in Chicago festgenommen wurde, war er vorbereitet. Auf seinen Arm hatte er die Telefonnummer der amerikanischen Anwaltsvereinigung geschrieben. Nachdem er in ein Lagerhaus gebracht wurde, verlangte Church, telefonieren zu dürfen. Er durfte nicht. Stattdessen wurde er in eine fensterlose Betonzelle gesperrt, 17 Stunden lang auf eine Liege gefesselt und immer wieder verhört.
Dies ist keine Geschichte aus Guantanamo oder dem Irak, wo die Amerikaner nach dem 11. September 2001 sogenannte "Black Sites" einrichteten: geheime Gefängnisse, in denen Terrorverdächtige verschwanden, ohne Kontakt zur Außenwelt, ihrer verfassungsmäßigen Rechte beraubt. Recherchen des britischen Guardian zufolge gibt es ein solches schwarzes Loch der Terrorbekämpfung auch mitten in den USA, in Chicago. Jacob Church soll einer der Männer gewesen sein, die hier verhört wurden.
In Homan Square soll es Verhörzellen und einen Käfig geben
Das unscheinbare Lagerhaus in Chicagos West Side, in dem Verdächtige laut Guardian widerrechtlich festgehalten werden, ist bekannt unter dem Namen Homan Square. Die Insassen würden nach ihrer Ankunft in keiner Akte vermerkt. Für zwölf bis 24 Stunden sollen sie einfach verschwinden, unauffindbar für Angehörige und Anwälte. Die Polizisten sollen die Insassen, der jüngste angeblich 15 Jahre alt, schlagen und fesseln. Es gebe Verhörzellen und einen Käfig, schreibt das britische Blatt.
Jacob Church wurde verdächtigt, 2012 gemeinsam mit zwei anderen Männern einen Sprengstoffanschlag auf den Nato-Gipfel in Chicago geplant zu haben. Bei einer Polizeirazzia am Vorabend des Nato-Gipfels wurden die "Nato 3" festgenommen und dann angeblich nach Homan Square geschafft. Nach den 17 Stunden, die Church dort verbracht haben soll, wurde er in eine nahe gelegenes Polizeipräsidium gebracht. Erst dort registrierte die Polizei ihn offiziell, mit Foto und Fingerabdrücken.
2014 wurde Church vom Vorwurf des Terrorismus freigesprochen, aber wegen Landfriedensbruchs und des Besitzes eines Sprengsatzes zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde vielfach kritisiert. Mittlerweile hat er das Gefängnis auf Bewährung verlassen.
"Wahrscheinlich werden wir nie wieder das Tageslicht sehen"
In seiner Zelle in Homan Square habe Church laut Guardian gedacht: "Alles klar, sie haben uns verschwinden lassen. Wahrscheinlich werden wir nie wieder das Tageslicht sehen." Es erinnere ihn "an die Verhöreinrichtungen im Nahen Osten". Doch Homan Square ist laut Guardian in erster Linie für Amerikaner gedacht, die Insassen seien zumeist arm und schwarz. Wann die Polizei von Chicago begonnen haben soll, Verdächtige dorthin zu bringen, darüber macht das Blatt keine Angaben. Sie nennt auch keine Zahl von Insassen.
Wenn sie einen Mandanten nicht auffinden könne, sagte Churchs Anwältin laut Guardian, dann stünden die Chancen gut, dass er dort sei. Unter den Anwälten in Chicago sei das "eine Art offenes Geheimnis".
Polizei von Chicago weist die Vorwürfe zurück
Das Chicago Police Department (CPD) weist den Bericht zurück. In dem Gebäude würden keine Verdächtigen oder sonst jemand misshandelt, teilte sie mit. Jeder Verdächtige werde verzeichnet, Anwälte hätten freien Zugang zu ihren Klienten. In dem Gebäude arbeiteten Techniker und Ballistiker, auch die Beamten, die gegen das organisierte Verbrechen ermitteln, seien hier untergebracht. Bei der Befragung von Verdächtigen und Zeugen, so ein Polizeisprecher laut Chicago Tribune, halte sich das CPD "an alle Gesetze, Regeln und Richtlinien".
Wegen gewalttätiger Polizisten ist Chicago in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder in den Schlagzeilen gewesen. Auch die berüchtigten Verhörmethoden in Guantanamo sollen maßgeblich von einem Polizisten entwickelt worden sein, der zuvor 30 Jahre lang in der Mordkommission von Chicago arbeitete.