Syrien:Zwischen allen Fronten

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Die kurdische Selbstverwaltung im Norden des Landes bittet die USA um Hilfe gegen die Angriffe der Türkei. Ankara kündigt unterdessen an, seine Militäroperation bis zur irakischen Grenze auszudehnen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die kurdische Selbstverwaltung im Norden Syriens hat die Regierung in Damaskus um Hilfe gegen die Angriffe der Türkei gebeten. Die Armee solle die Landesgrenze gegen die Okkupation verteidigen, hieß es in einer Erklärung des Kantons Afrîn, den die kurdischen YPG-Milizen kontrollieren. Die Regierung hatte zwar gedroht, türkische Flugzeuge abzuschießen, sollten sie syrischen Luftraum verletzen, sie lässt die türkische Armee und die mit ihr verbündeten syrischen Rebellen-Milizen bislang aber ungehindert gewähren.

Nach Darstellung der Kurden hatte Russland, neben Iran wichtigster Verbündeter des Assad-Regimes, vor der türkischen Offensive ultimativ gefordert, die Kurden sollten Afrîn der Regierung übergeben. Das lehnten die Kurden ab; daraufhin gab Moskau der Türkei das Einverständnis für den Angriff. Generalstabschef Hulusi Akar und Geheimdienstchef Hakan Fidan waren dafür Mitte Januar zu einem Treffen mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Walerij Gerassimow nach Moskau gereist.

Ankara setzt offenkundig darauf, dass den Amerikanern ihr Nato-Partner wichtiger ist

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte ungeachtet amerikanischer Warnungen an, die Militäroperation auf alle von den YPG kontrollierten Gebiete bis zur irakischen Grenze auszudehnen, also Hunderte Kilometer östlich der Stadt Manbij, die er bisher als zweites Ziel der Offensive genannt hatte. US-Präsident Donald Trump hatte laut dem Weißen Haus Erdoğan in einem Telefonat gewarnt, der Angriff auf Afrîn untergrabe den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Ankara bestritt diese Darstellung jedoch.

Tom Bossert, sicherheitspolitischer Berater Trumps im Weißen Haus, sagte am Freitag in Davos, die türkischen Truppen sollten "sich aus dem Konflikt um Afrîn zurückziehen". Die USA sehen in den YPG ihre wichtigsten Verbündeten in Nordsyrien und versuchen mit deren Hilfe, Irans Einfluss zu begrenzen und wieder Einfluss auf den politischen Prozess zu gewinnen, der zu einer Nachkriegsordnung in Syrien führen könnte. US-Militärexperten räumen ein, dass die derzeit in Syrien stationierten US-Soldaten dort ohne Unterstützung der YPG kaum auf unbestimmte Zeit bleiben könnten, wie von Washington angekündigt. Die Türkei setzt offenkundig darauf, dass den USA die Beziehungen zu ihrem Nato-Partner wichtiger sind als ihre Zusammenarbeit mit den syrischen Kurden.

Moskau gab den türkischen Wünschen auch nach, um die Zusammenarbeit im sogenannten Astana-Prozess nicht zu gefährden. Diese war durch den Vormarsch syrischer Regierungstruppen in die Provinz Idlib in Gefahr, den die russische Luftwaffe mit Bombardements unterstützte. Idlib ist eine der Deeskalationszonen, die in Astana vereinbart wurden. Russland hält Ende Januar in Sotschi einen "Syrischen Volkskongress" ab, der Moskaus Bemühungen um ein Ende des Bürgerkriegs Legitimität verleihen soll. Kurdische Vertreter werden entgegen der ursprünglichen Planung nicht teilnehmen. Die bei den Verhandlungen unter UN-Vermittlung in Genf vertretene syrische Opposition wollte nach Ende einer am Freitagabend andauernden Verhandlungsrunde in Wien entscheiden, ob sie Delegierte entsendet.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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