Syrien:Wieder Kämpfe in Aleppo

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Rauch über Ost-Aleppo: Nach drei Tagen Kampfpause brachen die Gefechte in der nordsyrischen Millionenstadt am Samstagabend wieder voll aus. (Foto: George Ourfalian/AFP)

Syriens Regierung und die Rebellen bereiten sich auf neue Offensiven vor. Die Ziele der ausgerufenen Waffenruhe wurden alle verfehlt.

Von Moritz Baumstieger, München

In der nordsyrischen Stadt Aleppo sind am Samstagabend erneut heftige Kämpfe ausgebrochen. Am Donnerstag hatte Russland, das den syrischen Machthaber Baschar al-Assad im Kampf gegen die Rebellen unterstützt, unilateral eine Waffenruhe verkündet und diese mehrmals verlängert. In dieser Zeit sollte Zivilisten und Aufständischen, die ihre Waffen niederlegen wollen, die Möglichkeit gegeben werden, den von der syrischen Armee und ihren Verbündeten belagerten Ostteil der Stadt über ausgewiesene Fluchtkorridore zu verlassen. Außerdem sollte Hilfsorganisationen ermöglicht werden, Verletzte und Kranke herauszubringen und Hilfslieferungen in die belagerten Stadtteile zu schaffen - dort drohen die Vorräte und die medizinischen Güter Ende des Monats auszugehen, wie UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon gewarnt hatte.

Die Bewohner flüchteten nicht. Vielmehr sollen sie gegen Assad demonstriert haben

All diese Ziele wurden jedoch nicht erreicht. Wegen fehlender Sicherheitsgarantien konnten die Agenturen der Vereinten Nationen nicht mit der Evakuierung und der Versorgung beginnen. Und über die von der syrischen Armee und Russland ausgewiesenen acht Fluchtkorridore verließen nur wenige Dutzend Einwohner Ost-Aleppo. Damaskus und Moskau beschuldigen die Rebellen, die Zivilbevölkerung an der Flucht zu hindern, um sie als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Die Rebellen weisen das zurück, sie verbreiteten Videos von Anti-Assad-Demonstrationen, die zeigen sollen, dass die Bevölkerung die Aufständischen unterstützt.

Am Samstagabend um sieben Uhr Ortszeit kündigte Russland an, die Feuerpause nicht weiter zu verlängern, in der Folge flogen russische oder syrische Kampfflugzeuge auf Rebellenviertel im Südwesten der Stadt. Am Boden versuchten Regierungstruppen, Gelände zu gewinnen. Beobachter rechnen damit, dass Assad und seine Verbündeten nun mit aller Macht versuchen werden, ganz Aleppo unter ihre Kontrolle zu bringen. Am Sonntag setzte die Regierung nach eigenen Angaben 800 zusätzliche Soldaten in Richtung Aleppo in Bewegung, Bilder zeigen einen langen Konvoi, der auch schwere Waffen und Panzer in die Stadt bringen soll. Doch auch Milizen der Freien Syrischen Armee scheinen eine Offensive vorzubereiten - sie nahmen ein von der Regierung gehaltenes Viertel unter Beschuss und wollen so einen neuen Versuch unternehmen, den Belagerungsring um Ost-Aleppo zu durchbrechen.

Eine Kommission der UN belegt einen weiteren Einsatz von Chlorgas durch Assads Kräfte

Unterdessen kam es nördlich von Aleppo zu neuen Kämpfen zwischen den von der Türkei unterstützten Rebellen und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten. Die Türkei hatte Ende August die Offensive "Schutzschild Euphrat" gestartet, um den IS zu bekämpfen, aber auch um ein zusammenhängendes Kurdengebiet an ihrer Grenze zu verhindern. Seither kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Kurden auf der einen und türkischen Truppen und Rebellengruppen auf der anderen Seite. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete nun, dass es den Kurden gelungen sei, eine größere Anzahl türkischer Soldaten und Rebellenkämpfer in einen Hinterhalt zu locken und zu töten. Die Türkei bombardierte mehrere Dörfer und Stellungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten.

Sollten die Auseinandersetzungen eskalieren, droht in Syrien eine weitere Front zu entstehen. Sie würde vor allem die USA in eine Zwickmühle bringen: Washington unterstützt zum einen die Kurdenmilizen, die sich in der Vergangenheit als effektive Gruppe im Kampf gegen den IS bewiesen haben, ist aber gleichzeitig Verbündeter des Nato-Mitglieds Türkei.

Als Reaktion auf einen Bericht einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zum Einsatz von Chemiewaffen fordern unterdessen die USA, Großbritannien und Frankreich eine scharfe Reaktion des UN-Sicherheitsrats. Die Experten sind sich sicher, dass syrische Regierungstruppen im März 2015 mit Chlorgas präparierte Fassbomben über einem Dorf in der Region Idlib abgeworfen haben. Am Freitag überreichten sie dem Sicherheitsrat einen entsprechenden Bericht, schon im August hatten sie zwei Fälle belegt, in denen Assads Kräfte verbotene chemische Kampfstoffe einsetzten. Der UN-Sicherheitsrat konnte sich zu keiner Resolution gegen Syrien entschließen, China und Russland legten ihr Veto ein. Damaskus gibt an, sein Chemiewaffenarsenal im Jahr 2013 komplett vernichtet zu haben, was Experten bezweifeln.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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