Syrien:Was zu retten bleibt

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Die Feuerpause in dem Bürgerkriegsland hat vielen Menschen das Leben gerettet und den Alltag ein klein wenig leichter gemacht. Nun wird wieder verstärkt gekämpft. Russland und die USA müssen alles tun, um den Waffenstillstand doch noch aufrechtzuerhalten.

Von Paul-Anton Krüger

Es ist fast genau zwei Monate her, dass in Syrien zum ersten Mal in fünf Jahren Krieg so etwas wie eine Waffenruhe in Kraft trat. Sie wurde nie vollständig eingehalten; in ihrer ersten Woche starben mehr als hundert Menschen. Doch sie verschaffte vielen, sehr vielen Syrern eine Pause vom Bombenhagel, von Granateinschlägen, von ständiger Todesangst. Sie konnten auf die Straßen gehen, Lebensmittel kaufen. Die Feuerpause, so wenig sie perfekt war, hat Tausenden Syrern das Leben gerettet. Diese Woche aber starben allein in Aleppo wieder mehr als 200 Menschen. Jetzt müssen alle Anstrengungen unternommen werden, die Vereinbarung noch zu retten.

Die Macht dazu haben vor allem Russland und die USA. Deren Übereinkunft im Februar in München war es, die sowohl die Konfliktparteien als auch die in den Konflikt involvierten Regionalmächte zu disziplinieren vermochte. In der Pflicht steht jetzt besonders der russische Präsident Wladimir Putin. Er hat politisch und militärisch am meisten investiert. Die russische Armee könnte womöglich die Opposition territorial auslöschen. Den Krieg würde aber auch das nicht beenden - er würde nur noch grausamere Formen annehmen. Putin kann nun beweisen, dass es ihm ernst ist damit, eine politische Lösung des Konflikts herbeizuführen, wie Moskau immer wieder vorgibt.

Denn es ist überwiegend das von ihm gestützte Regime Baschar al-Assads, das die Regelungen der Waffenruhe verletzt, auch wenn Rebellengruppen ebenfalls dagegen verstoßen. Regierungstreue Einheiten, darunter mittlerweile reguläre iranische Soldaten, machen keinen Unterschied zwischen der Opposition und den von der Waffenruhe ausgenommenen Terrorgruppen. Sie bombardieren eindeutig zivile Ziele wie ein Kinderkrankenhaus in Aleppo. Auch blockiert das Regime laut den Vereinten Nationen weiter Hilfskonvois für belagerte Gebiete und plündert medizinische Güter aus den Lastwagen. Das Rote Kreuz warnt angesichts der Gefechte um Aleppo vor einer Katastrophe. Millionen Menschen seien einer großen Gefahr ausgesetzt. Die Regierung zieht Truppen dort zusammen, bereitet eine Belagerung vor. Das würde wieder Hunderttausende in die Flucht treiben. Assad hat die Vorstellung offenbar nicht aufgegeben, den Krieg militärisch zu gewinnen.

Die Amerikaner müssen ihrerseits der Opposition und deren Unterstützern am Golf und in der Türkei klarmachen, dass ihnen keine Alternative zu den Verhandlungen bleibt. Sie werden Assad auf dem Schlachtfeld kaum besiegen können, selbst wenn die Lieferung von Luftabwehrraketen das militärische Gleichgewicht noch einmal zu ihren Gunsten verändern könnte und für Russland den Preis seiner Unterstützung für Assad massiv in die Höhe treiben würde. Zudem muss Washington darauf dringen, dass sich die in Genf vertretenen Gruppen klar von der terroristischen Nusra-Front distanzieren und keine Militäroperationen mit diesem syrischen Ableger al-Qaidas unternehmen.

Nur wenn die Waffenruhe wieder hergestellt werden kann, hat es Sinn, die politischen Verhandlungen in Genf fortzusetzen, so mühsam sie sich auch gestalten. Dazu gehört, dass - wie vom UN-Sicherheitsrat gefordert - humanitäre Helfer überall und ungehindert die Menschen in Syrien versorgen können. Ein schneller Frieden und eine Nachkriegsordnung sind zwar noch nicht einmal in Umrissen zu erkennen. Zunächst aber gilt es zu verhindern, dass Syrien in den Krieg zurückfällt. Denn dann wird es Monate dauern und Tausende Menschenleben kosten, bis die Waffen wieder schweigen.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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