Bürgerkrieg in Syrien:Für Assad sind wir Tiere

Lesezeit: 4 min

Seine Chemiewaffen muss Syriens Machthaber Baschar al-Assad nun abgeben. Doch er bekämpft weiterhin unerbittlich alle, die sich nach Freiheit sehnen. Assads Regime ist ein umfassendes System von körperlicher und symbolischer Gewalt, das Menschen zu Tieren macht.

Ein Gastbeitrag von Omar Kaddour, Damaskus

Vor vielleicht zwei Monaten wurde den im palästinensischen Flüchtlingslager Yarmouk in Damaskus eingeschlossenen Menschen erlaubt, das Lager kurz zum Einkaufen zu verlassen. Ein jeder habe das Recht, so hieß es, zurückzukehren und eine Tüte Fladenbrot für die im Lager zurückgebliebene Familie mitzubringen. Bei ihrer Rückkehr wurden jedoch die Männer am Checkpoint des Militärs angehalten, und allen wurde das Brot abgenommen. Dann musste jeder, der sein Brot wiederbekommen und ins Lager hinein wollte, wie ein Hund vor den Soldaten kriechen und bellen. Ein alter Mann trat vor, kniete sich hin und begann zu bellen, während ihm Tränen der Demütigung die Wangen herabflossen. Der Offizier und die Soldaten lachten sich derweil halb tot. Auf einer Mauer neben dem Checkpoint hatten die Regierungssoldaten den Spruch geschrieben: "Hungern oder niederknien".

Hungern oder niederknien - das ist eine neue Kampagne des Regimes. Auch mit dem Einsatz von Chemiewaffen in der Oase Ghouta am Stadtrand von Damaskus hat die Regierung die Aufständischen nicht in die Knie zwingen können - im Gegenteil hat der internationale Druck das Regime gezwungen, seine Chemiewaffen an die UN abzugeben, auf dass sie vernichtet werden. Nun hat es den Anschein, als suchte man nach einer alternativen Massenvernichtungswaffe und hätte diese in der Aushungerung von Zivilisten gefunden. Der Offizier, der von den Zivilisten verlangt hatte, wie ein Hund zu bellen, war Handlanger einer gezielten Regierungspolitik der Demütigung. Der oben erwähnte Spruch steht an den Ausgängen aller belagerten Viertel in Damaskus und im Umland geschrieben, in denen etwa eine Million Menschen leben. Es ist eine Politik, die in den Syrern keine menschlichen Wesen sieht. Folglich gesteht sie ihnen nicht das Recht auf ein Leben in Freiheit und Würde zu.

So wie in der Vergangenheit auch Adolf Hitler von seinen politischen Gegnern als Untermenschen sprach, so bezeichnete Baschar al-Assad die Aufständischen von Beginn der Proteste an als Bazillen. Ein anderes Mal verglich er die Brutalität seiner Truppen mit der Arbeit des Chirurgen, der sich beim Herausschneiden des Krebsgeschwüres aus dem Körper zwangläufig die Hände mit Blut besudeln müsse.

Dem Assad-Regime geht es darum, Menschen zu demütigen, die Würde zu rauben, sie so zum Aufgeben zu zwingen. Es wurden Soldaten dabei gefilmt, wie sie Zivilisten zwangen, vor Assads Bild niederzuknien und ihn als ihren Herrn zu bezeichnen - eine abscheuliche Erinnerung an die schlimmsten Formen der Sklaverei.

Wir haben es hier mit einem umfassenden System von körperlicher und symbolischer Gewalt zu tun. Zuerst werden die Menschen entehrt, indem sie als Tiere bezeichnet werden, die ganz allgemein als minderwertige Kreaturen gelten. Und dann werden sie gequält wie Tiere, ein Verhalten, das wiederum als völlig normal hingestellt wird: Wer als Tier gilt, kann auch wie ein Tier behandelt werden. Es ist daher auch kein Zufall, dass Regimetruppen sich darin üben, kaltblütig Esel zu ermorden und dieses Tun mit ihren Kameras dokumentieren, und dass sie dann auf die gleiche Weise auf unbewaffnete Menschen schießen und sich gleichfalls dabei filmen, um damit zu prahlen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema