Syrien-Konflikt:Feiertagsruhe in Aleppo

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Der von Russland und den USA ausgehandelte Waffenstillstand im Bürgerkriegsland hält bisher, doch die Hilfe für die Zivilsten läuft nur schleppend an.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Waffenruhe in Syrien hat in den ersten 24 Stunden weitgehend gehalten. Zwar gab es in der Nacht noch Berichte von Aktivisten der Opposition und Staatsmedien über einzelne Verstöße in Aleppo und den Provinzen Hama und Deraa, sonst blieb es aber weitgehend ruhig. US-Außenminister John Kerry sprach von einer "Reduzierung der Gewalt", es sei aber noch zu früh für eine abschließende Beurteilung. Die Menschen nutzten die Feuerpause, um das Opferfest zu begehen, den höchsten Feiertag der Muslime. Dabei besuchen sich traditionell Familienmitglieder und Freunde. Die Waffenruhe gilt zunächst für 48 Stunden, also bis Mittwochabend, und soll dann jeweils weiter verlängert werden.

Der syrische Präsident Baschar al-Assad hatte zwar unmittelbar vor Beginn der Gefechtspause angekündigt, seine Armee werde das gesamte Land zurückerobern. Das Militär erklärte jedoch, die Waffenruhe sieben Tage lang einhalten zu wollen - jenen Zeitraum, den der US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollegen Sergej Lawrow in ihrer Vereinbarung als Voraussetzung definierten, damit beide Mächte eine gemeinsame Operationszentrale einrichten. Dann wollen beide Staaten bei der Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat und der Nusra-Front kooperieren, die sich jüngst von al-Qaida losgesagt und umbenannt hatte.

Paten einer zerbrechlichen Waffenruhe: Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry. (Foto: Martial Trezzini/dpa)

Rebellengruppen hatten den amerikanisch-russischen Plan scharf kritisiert, zugleich aber signalisiert, die Feuerpause einzuhalten. Das Abkommen lasse dem Regime Raum, die Situation auszunutzen und militärische Gewinne zu erzielen, die es anderenfalls nicht erreichen könne, hieß es in einer Erklärung, die von mehr als 20 Gruppen mitgetragen wurde. Russlands Außenminister Lawrow sprach sich inzwischen dafür aus, die unter Verschluss gehaltenen Dokumente zur Umsetzung des Abkommens zu veröffentlichen. "Der Wortlaut ist kein Geheimnis, wir haben nichts zu verbergen", sagte er. Der UN-Sicherheitsrat solle die Dokumente billigen.

Auf Hilfslieferungen mussten aber etwa die Bewohner von Aleppo auch am Dienstag noch warten. Die UN bräuchten Sicherheitsgarantien für ihre Mitarbeiter und ein friedliches Umfeld, um die Güter zu verteilen, sagte Jens Laerke vom Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) in Genf. Das sei bislang nicht der Fall. Die Hilfskonvois stünden jedoch bereit.

Von der türkischen Grenze machten sich laut der Nachrichtenagentur Anadolu und Augenzeugenberichten dennoch etwa 20 Lastwagen auf den Weg nach Aleppo. Die syrische Regierung hatte angekündigt, sie werde keine Hilfe ohne Abstimmung mit den UN und Genehmigung aus Damaskus durchlassen, vor allem keine des "türkischen Regimes". Dagegen hatte die Regierung in Ankara gefordert, es müsse sofort mit Beginn der Waffenruhe Hilfslieferungen geben. Wie weit der türkische Konvoi kam, dazu gab es zunächst keine weiteren Informationen.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu warf der syrischen Regierung vor, die Feuerpause zu brechen. Das türkische Militär hatte am Dienstag bekannt gegeben, es habe zwei Ziele in Syrien beschossen, weil wenige Minuten nach Beginn der Waffenruhe eine Mörsergranate in der Türkei eingeschlagen sei. Sie sei von Regierungsgebiet abgefeuert worden.

An der Castello Road, die den von Rebellen kontrollierten Ostteil Aleppos mit der Türkei verbindet, werde ein Kontrollpunkt der Hilfsorganisation Roter Halbmond eingerichtet, zitierten Agenturen einen russischen Oberst. Die Straße sei unter Kontrolle der syrischen Regierung und diene als Korridor für Zivilisten und Rebellen, die ihre Waffen strecken wollten. Das erinnert an die "humanitären Korridore", die Russland und das Regime angeblich in Aleppo einrichten wollten, ein Plan, den die UN zurückwiesen. Durch sie sollten die Bewohner die Stadt verlassen; anschließend wären die Rebellenviertel wohl sturmreif geschossen worden.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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