Syrien:Einigung über Verfassungskomitee

Lesezeit: 2 min

Herrscht seit dem Jahr 2000 in Damaskus: Baschar al-Assad. (Foto: AFP)

Über die Aufgabe des Gremiums sind sich die Kriegsparteien uneinig. Die Opposition drängt auf eine neue Verfassung. Das Assad-Regime denkt jedoch nicht daran, Macht abzugeben.

Von Moritz Baumstieger, München

Nach monatelangem Ringen haben sich die Konfliktparteien in Syrien über die Zusammensetzung eines Komitees geeinigt, das eine neue Verfassung für das seit nunmehr acht Jahren in einen Bürgerkrieg verwickelte Land ausarbeiten soll. Das teilte UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Montagabend in New York mit. Der Ausschuss solle den Beginn eines "politischen Weges aus der Tragödie heraus" bereiten und in den kommenden Wochen in Genf zusammenkommen.

Dort waren seit 2011 mehrere Vermittlungsversuche der Vorgänger des UN-Sondergesandten Geir Pedersen gescheitert, bis die im Krieg involvierten Staaten Türkei, Iran und Russland ein paralleles Verhandlungsformat etablierten. Die Errichtung eines Verfassungskomitees vereinbarten im Januar 2018 in der russischen Stadt Sotschi die beiden Verbündeten des syrischen Diktators Baschar al-Assad - Russlands Präsident Wladimir Putin und sein iranischer Amtskollege Hassan Rohani - mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der sich als Schutzherr der Aufständischen versteht. 50 Delegierte sollte das Regime in Damaskus ernennen, 50 von der Opposition entsandt werden - und 50 weitere sollten die Zivilgesellschaft, die Minderheiten und die vor allem im Osten des Landes mächtigen Stammesverbände repräsentieren.

Zuletzt schien Russland seinen Schützling Assad zu Zugeständnissen zu drängen

Dass es im Anschluss fast 21 Monate dauerte, bis das Gremium seine Arbeit aufnehmen wird, lag vor allem an Streitigkeiten über die Zusammensetzung der dritten Delegation. Sowohl die Opposition, als auch das Regime in Damaskus wollte verhindern, dass sich die jeweils andere Seite durch diese Gruppe eine Mehrheit beschaffen kann. Zuletzt schien Assads Schutzmacht Russland jedoch den Druck auf den syrischen Machthaber zu erhöhen, sich endlich kompromissbereiter zu geben. Berichten von oppositions- und regimetreuen Medien zufolge forderte Moskau Damaskus auf, einen Kredit in Höhe von drei Milliarden Dollar zu begleichen - und nötigte Assad dazu, diese Summe bei seinem Schwager Rami Maklouf einzutreiben, der seine Position zum Aufbau eines Wirtschaftsimperiums genutzt hatte und politisch als einer der Hardliner des Regimes galt. Kurz nach der Entmachtung Makloufs unterzeichnete Assad zudem ein Dekret, das Männern, die aus Regierungsgebieten geflohen waren, um dem Armeedienst zu entgehen, unter gewissen Umständen eine Amnestie ermöglichen sollte. Beide Maßnahmen wurden als Zugeständnisse gedeutet, die Verhandlungen zur Errichtung des Komitees erleichtern sollten.

Völlig unterschiedlich sind jedoch die Vorstellungen, was genau die Kommission leisten soll: Die Opposition drängt darauf, eine gänzliche neue Verfassung zu schreiben und will so die Vormachtstellung Assads und seiner Baath-Partei beenden. Das Regime denkt jedoch nicht daran, nach den militärischen Erfolgen der vergangenen Jahre Macht abzugeben, will die bestehende Verfassung höchstens überarbeiten. Der von Guterres erhoffte "politische Weg" könnte jedoch noch an einer anderen Frage scheitern: Die den Osten des Landes beherrschenden Kurden bestehen auf einem föderalen System, was Opposition und Regime ablehnen. In Genf wird darüber deshalb nicht verhandelt werden - die Kurden, die rund ein Drittel des Landes und große Teile seiner Öl- und Gasvorkommen unter Kontrolle haben, sind nicht einmal eingeladen.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: