Syrien:Ein Schrecken ohne Ende

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Das Einzige, was die Kriegsparteien in Syrien und ihre Unterstützer wirklich verbindet, ist abgrundtiefes Misstrauen gegeneinander. Das prägt alle Versuche, die Gewalt einzudämmen.

Von Paul-Anton Krüger

Was die Kriegsparteien in Syrien und ihre ausländischen Unterstützer wirklich verbindet, ist abgrundtiefes Misstrauen gegeneinander. Der amerikanische Luftangriff auf Regierungstruppen kommt da zur denkbar ungünstigsten Zeit. Auch wenn alles dafür spricht, dass die Bomben ein Versehen waren, könnten sie das Ende der Feuerpause beschleunigen. Schuldzuweisungen und der Versuch, den Zwischenfall politisch auszuschlachten, drohen zu überdecken, wo wirklich die Probleme liegen.

Seit Tagen nimmt die Gewalt wieder zu. Das Regime des Präsidenten Baschar al-Assad fliegt Luftangriffe auf Rebellen-Gebiete, schießt Granaten. Die Rebellen wiederum greifen das Regime an. Russland und den USA fehlt es an Einfluss oder Willen, das eine wie das andere zu verhindern. Zudem blockiert Assad jede Hilfslieferung für die belagerten Städte, allen voran Aleppo. Moskau zeigt sich nach Auskunft des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura zwar enttäuscht darüber, hat es aber auch nicht geschafft, den Konvois freie Fahrt zu verschaffen. Stattdessen versucht Russland nun, die Demilitarisierung von Zufahrtsstraßen zur Bedingung zu erheben.

Regime und Rebellen verweigern den Rückzug; jeder sieht die andere Seite in der Pflicht. Amerikaner und Russen bezichtigen sich gegenseitig, nicht genug Druck auszuüben. Und nicht zuletzt tun die Rebellen wenig, sich wie gefordert von der radikal-islamischen Nusra-Front zu distanziert, die von der Waffenruhe ausgenommen ist. Hier wären die USA gefordert, schweigen aber. Keiner der Pfeiler der amerikanisch-russischen Abkommens trägt also bislang.

Der Luftangriff schürt das Misstrauen weiter

Der Luftangriff auf die Regierungstruppen bestärkt nun jede Seite in ihrem Misstrauen und ihren Verschwörungstheorien: Das Assad-Regime erblickt darin den Beweis, dass die USA die Terrormiliz Islamischer Staat unterstützen - was wirklich lächerlich ist. Gerade das Regime ließ den IS vielerorts gewähren und bekämpfte lieber die Rebellen. Diese wiederum sehen ihre Befürchtung bestätigt, dass die USA längst nicht mehr an Assads Sturz interessiert sind, sondern an seiner Seite kämpfen, auch wenn sie diesmal versehentlich Soldaten des Regimes getroffen haben.

Sie fürchten um so mehr, künftig Ziel zu werden, wenn USA und Russen gemeinsam gegen IS und Nusra-Front fliegen - der nächste Schritt des Abkommens. Ob es dazu kommt, ist jedoch fraglich. Russlands UN-Botschafter ergeht sich in Anspielungen, das Pentagon wolle die Vereinbarung sabotieren - die US-Generäle haben sich lange dagegen gesträubt. So aber redet niemand, der das Abkommen retten möchte.

Leidtragende wären die Menschen in Syrien - wieder einmal. Sie glauben längst nicht mehr, dass es noch irgendwem um das Wohl des syrischen Volkes geht. Für sie ist jeder Tag ohne Bomben ein guter Tag. Aber wenn es nicht gelingt, mit kleinsten Schritten ein bisschen Vertrauen zu schaffen, lässt sich schon gar nicht erkennen, wie dieser Krieg zu stoppen ist und eine politische Lösung gefunden werden kann.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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