Syrien:Bomben auf Idlib

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Moskau und Teheran zeigen sich völlig unbeeindruckt von Trumps Drohungen und Erdoğans Bitte um Waffenruhe in Idlib.

Von Paul-Anton Krüger, München

(Foto: Omar Haj Kadour/AFP)

Das syrische Regime und Russland haben am Wochenende schwere Luftangriffe auf die letzten Rebellengebiete im Norden Syriens geflogen. Die syrische Armee und von Iran unterstützte Milizen schossen mit Artillerie und Raketen auf das Gebiet, Kampfjets und Helikopter bombardierten am Samstag mehr als 90 Ziele in der Provinz Idlib, die an die Türkei grenzt, am Sonntag setzten sie die Angriffe fort. Mindestens vier Zivilisten wurden getötet, drei Kliniken und weitere vom humanitären Völkerrecht geschützte Ziele attackiert. Es waren die schwersten Bombardements seit Monaten.

Russlands Präsident Wladimir Putin und sein iranischer Kollege Hassan Rohani hatten Appelle des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan für eine Waffenruhe zurückgewiesen. Sie stützen sich darauf, dass die dominierende militärische Kraft in der Region, die Dschihadisten-Gruppe Hayat Tahrir al-Scham, dem Terrornetzwerk al-Qaida nahesteht. Trotz der Luftangriffe hat das Regime von Staatschef Baschar al-Assad aber noch nicht den Beginn der Offensive verkündet. Staatsmedien sprachen von Vergeltung für den Beschuss der Rebellen, durch den in einem Ort in der Provinz Hama neun Menschen getötet worden sein sollen. Allerdings galten die Angriffe Zielen im Süden Idlibs.

Die Vereinten Nationen warnen vor der "schlimmsten humanitären Katastrophe des 21. Jahrhunderts", sollte es zu der Offensive kommen, denn in Idlib leben knapp drei Millionen Zivilisten. Das sind weit mehr Menschen als bei den Belagerungen der Rebellenhochburgen Ost-Ghouta der Aleppo, die Russland und Syrien Ende 2016 und zu Jahresbeginn 2018 Ziel bombardiert hatten. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura wies bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates darauf hin, dass sich Zivilisten in Idlib der Präsenz von Hayat Tahrir al-Scham entgegenstellten. Es gebe keine einfachen Rezepte, gegen die Terroristen vorzugehen, die Türkei habe aber substanzielle Vorschläge dafür vorgelegt. Allerdings bedürfe es einer Waffenruhe, um Fortschritte erzielen zu können.

Erdoğan hat angekündigt, die Türkei werde nicht tatenlos zuschauen, "wenn die Welt vor der Tötung Zehntausender unschuldiger Menschen beide Augen zudrückt, um den Interessen des Regimes zu dienen". Die Türkei unterhält militärische Beobachtungspositionen in Idlib, die zurückgehen auf eine Deeskalationsvereinbarung mit Russland und Iran.

Auch US-Präsident Donald Trump hat Teheran und Moskau gewarnt, allerdings hatte er eine frühere Offensive auf die Provinz Deraa hingenommen, obwohl die USA dort selbst Teil einer Deeskalationsvereinbarung mit Russland waren. Sollte Syriens Armee erneut Chemiewaffen einsetzen, würden die USA "angemessen reagieren", drohte Trumps Sicherheitsberater John Bolton. Es gebe Hinweise, dass ein Chemiewaffenangriff vorbereitet werde. Russland wiederum beschuldigt die Rebellen, sie bereiteten die Inszenierung eines Chemieangriffs vor, um eine Militärintervention der USA herbeizuführen.

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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