Syrien:Atempause

Der Handschlag zwischen Erdoğan und Putin wird keine Entlastung in der Flüchtlingsfrage bringen.

Von Moritz Baumstieger

Als Recep Tayyip Erdoğan im August 2019 in Moskau mit Wladimir Putin über Idlib sprach, spendierte der ihm ein Eis. Die Staatschefs flanierten über eine Messe, blieben an einem Essensstand stehen, Putin zeigte sich großzügig. Der Kreml verbreitete im Anschluss Bilder, die Erdoğan wie einen Schuljungen zu Besuch beim spendablen Onkel zeigten. Bei den Idlib-Verhandlungen vom Donnerstag hat Erdoğan noch weniger bekommen. Außer einer Waffenruhe gab es für ihn nichts zu holen, und die wird sehr vergänglich sein.

Den Krieg um die letzte Hochburg der von ihm unterstützten Rebellen in Syriens kann die Türkei nicht gewinnen, das weiß Putin. Sie ist auf viele Arten von ihm abhängig - wirtschaftlich, in Infrastrukturfragen, teils bei der Waffentechnik. Vor allem aber ist Erdoğans "Frühlingsquelle" genannte Gegenoffensive in Idlib nach wenigen Tagen versiegt. Dort, wo die Rebellen kurzzeitig Erfolge feierten, patrouillierte bald wieder Putins Militär.

Das Abkommen bringt nun eine Feuerpause, die Hilfsorganisationen hoffentlich nutzen können, um die schlimmste Not unter den 900 000 Flüchtlingen zu lindern, die zuletzt ihre Häuser verlassen mussten. Zurückkehren in ihre Städte und Dörfer werden diese jedoch nicht - sie sind zerbombt, verheert, geplündert. In der Flüchtlingsfrage ist durch den Handschlag von Moskau keine Entlastung zu erwarten. Er verschafft der Bevölkerung eine Atempause, mehr nicht. Assad und Putin haben bisher jede Waffenruhe zur Vorbereitung neuer Offensiven genutzt.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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