Südkorea:Die Frühlingszwiebelaffäre

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Schau mal, günstige Frühlingszwiebeln - oder doch nicht so günstig? Yoon Suk-yeol (Mitte) hat nach Ansicht vieler Landsleute wieder einen Auftritt verbockt. (Foto: -/AFP)

Klingt wie ein Eberhofer-Krimi, ist aber ernst: Wie ein verunglückter Supermarktauftritt von Präsident Yoon Suk-yeol die laufende Wahl belastet.

Von Thomas Hahn, Seoul

Das Frühlingszwiebel-Verbot bei der Parlamentswahl in Südkorea scheint zu greifen. Am Freitag und Samstag waren die Wahllokale offen für alle, denen der eigentliche Wahltermin am 10. April nicht passt. Laut der Nationalen Wahlkommission NEC nutzten mehr als 31 Prozent der Wahlberechtigten dieses Angebot, so viele wie noch nie. Und bis Sonntag gab es keine Berichte über Verstöße gegen die NEC-Vorschrift, wonach Frühlingszwiebeln nicht ins Wahllokal dürfen. Alles normal also - bis auf die Gemüse-Auflage selbst. Denn die ist eindeutig nicht typisch für Stimmabgaben in der demokratischen Welt.

Frühlingszwiebeln, auf Koreanisch Daepa, sind eine geschätzte Zutat der koreanischen Küche. Über ihre Bedeutung für die Suppen und Eintöpfe der Nation würden wohl nicht einmal die konservative Regierungspartei PPP und deren größte Widersacherin, die Demokratische Partei (DP), streiten. Aber im wilden Politikalltag kann eben auch mal unschuldiges Grünzeug zwischen die Fronten geraten. Südkorea zeigt das anschaulich, denn in der Tat sieht die Wahlkommission die Frühlingszwiebel dieser Tage als "Form der politischen Meinungsäußerung". Nach ihren Richtlinien muss das Personal im Wahllokal deshalb Wahlberechtigte mit Frühlingszwiebeln, "dazu auffordern, diese draußen an einem geeigneten Ort aufzubewahren".

Wie teuer ist das Gemüse denn jetzt wirklich, Herr Präsident?

Schuld an dieser Beschneidung der Frühlingszwiebel-Freiheit ist letztlich der Präsident. PPP-Mann Yoon Suk-yeol, ein Ex-Staatsanwalt mit wenig politischer Erfahrung, liefert seit Beginn seiner Amtszeit im Mai 2022 zuverlässig Stoff fürs Kabarett. Nicht jeder kann immer darüber lachen, denn Yoons Missfallen kann streikende Arbeiter und Investigativjournalisten durchaus ins Gefängnis bringen. Aber gerade die Daepa-Geschichte war für Yoon-Gegner ein erheiterndes Beispiel dafür, dass der Machtmensch an der Realität vorbei regiert.

Es war nämlich so: Yoon besuchte im März in der Hauptstadt Seoul eine Filiale der Lebensmittel-Kette Nonghyup Hanaro Mart, die zum Landwirtschaftsverband gehört. Er bekam dabei ein Bündel Frühlingszwiebeln für 875 Won, 0,60 Cent, zu fassen und lobte den Preis als "vernünftig". Aber so billig sind Frühlingszwiebeln in Südkorea gerade eigentlich nicht, im Gegenteil, sie sind besonders teuer. Wegen Inflation und schlechter Ernte kosten sie laut Korea Times im Durchschnitt rund 3000 Won. Wollte der konservative Landwirtschaftsverband mit dem Sonderangebot von den gestiegenen Preisen unter Yoon ablenken?

Die Opposition greift die Episode im Wahlkampf dankbar auf. Spaßvögel mit Frühlingszwiebel-Kronen treten auf, Redner höhnen über Yoons Daepa-Moral. Und die Wahlkommission fürchtet, dass Leute, die mit Frühlingszwiebeln zur Wahl kommen, die Entscheidung anderer beeinflussen oder das Wahlgeheimnis unterwandern, weil man sie als PPP-Kritiker erkennt.

Die DP schimpft, die NEC mache die Wahl zu einer Comedy-Show. Cho Kuk, Chef der liberalen Partei zum Wiederaufbau Koreas, weist amüsiert darauf hin, dass nicht geklärt sei, ob man anderes Gemüse mitbringen könne. Und ob wirklich viele Leute planen, mit Frühlingszwiebeln zur Wahl zu gehen, ist fraglich. Das Gemüse ist ja viel zu teuer.

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