Südafrika:Gummigeschosse auf Studenten

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Proteste gegen höhere Studiengebühren in Südafrika arten in Gewalt aus - die Studenten werfen der Regierung vor, durch die seit dem Ende der Apartheid bestehende Erhöhung die soziale Spaltung des Landes weiter zu zementieren.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Seit Wochen andauernde Studentenproteste in Südafrika sind am Donnerstag erneut eskaliert. Zwei Anführer der Proteste an der Universität Witwatersrand in Johannesburg wurden am Nachmittag ins Krankenhaus gebracht, nachdem sie Berichten zufolge von Gummigeschossen der Polizei getroffen worden waren. Zugleich marschierten mehrere Tausend Studenten in der Hauptstadt Pretoria auf das Regierungsviertel zu, wo die Sicherheitskräfte mit Wasserwerfern und Blendgranaten gegen sie vorgingen. Am Mittwoch hatte die Polizei in Kapstadt, der zweitgrößten Stadt des Landes, Gummigeschosse, Tränengas und Blendgranaten auf mehrere Hundert Demonstranten gefeuert. Die Universitätsleitung erklärte, der Unterricht werde bis zum Ende des Studienjahres im Dezember ausgesetzt: Ein normaler Betrieb sei "nicht mehr möglich, ohne die Sicherheit von Studenten und Personal ernsthaft zu gefährden."

Die Proteste, die in den vergangenen Wochen teilweise immer wieder in Gewalt umschlugen, richten sich gegen eine geplante Erhöhung der Studiengebühren um bis zu acht Prozent. Schon jetzt kostet ein Studium an manchen südafrikanischen Universitäten umgerechnet bis zu 4000 Euro pro Jahr - besonders für viele Angehörige der schwarzen Bevölkerungsmehrheit ist das eine unüberwindbare Hürde. Kritiker werfen der Regierungspartei African National Congress (ANC) vor, in der Bildungspolitik versagt zu haben: Die Ausstattung der staatlichen Schulen und das Niveau des Unterrichts gelten selbst im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern als miserabel. Die Gebühren an den Hochschulen erschweren Kindern einkommensschwacher Familien den Zugang zu höherer Bildung. Die versäumten Reformen im Bildungssystem gelten als entscheidender Faktor in der Zementierung der sozialen Ungleichheit, die mehr als zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid noch immer stärker ausgeprägt ist als in den meisten anderen Ländern der Welt. Viele protestierende Studenten sagen, sie fühlten sich um die Versprechen der Mandela-Ära betrogen.

Zusätzlich befeuert wird der Zorn der Studenten von immer neuen Korruptionsvorwürfen gegen Präsident Jacob Zuma und seine Entourage. Angesichts des steigenden Drucks kündigte Zuma vergangene Woche die Bildung einer interministeriellen Arbeitsgruppe an, die nach Lösungen der Krise an den Hochschulen suchen soll. Zuvor hatte die Regierung erklärt, eine Senkung oder Abschaffung der Studiengebühren sei nicht möglich, ohne dass die zulasten anderer Etats ginge.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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