Südafrika:"Die sozialen Probleme nehmen zu"

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Das Land war der Brotkorb des Kontinents. Aber auch hier wird nun das Essen knapp.

Interview von Tobias Zick

SZ: Herr Omri van Zyl, Hungersnöte sind in Afrika nichts Neues - aber in Südafrika? Allen Prognosen zufolge steht der Höhepunkt der Dürrekrise hier noch bevor. Der Landwirtschaftsminister Senzeni Zokwana sagte kürzlich: "Wir haben Vieh sterben und Pflanzen verdorren sehen, wir wollen nicht auch Menschen sterben sehen." Wie schlimm ist die Lage?

Omri van Zyl: Ernährungsunsicherheit wie in unseren Nachbarländern Simbabwe, Malawi oder Swaziland erwarten wir hier vorerst nicht - aber der Preis für weißes Maismehl, das Grundnahrungsmittel Nummer eins, ist schon jetzt sehr stark gestiegen, er liegt jetzt mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie vor zwei Jahren. Darunter leidet natürlich vor allem die arme Bevölkerungsmehrheit.

Wie schlimm kann die Krise noch werden?

Wir müssen abwarten, wie viel Regen der kommende Winter hier auf der Südhalbkugel bringt. Das betrifft vor allem die Viehherden und damit die Fleischwirtschaft. Beim Mais ist jetzt schon klar: Wir haben noch Reserven bis Oktober, von da an werden wir selbst importieren müssen - was für unser Land ungewöhnlich ist. Zudem sind die Häfen nicht dafür ausgelegt; das kann noch logistische Probleme geben.

Südafrika gilt eigentlich als "Brotkorb" der Region.

Ja, unsere Nachbarländer wie Simbabwe haben sich bislang auf Importe von uns gestützt. Die können wir bis auf Weiteres nicht mehr beliefern - mehrere Regierungen haben inzwischen den nationalen Notstand ausgerufen. Die Region wird zwei bis drei Jahre brauchen, um sich von dieser Dürre zu erholen; in Folge dessen rechnen wir auch damit, dass mehr Menschen aus den Nachbarländern hier einwandern werden, auf der Suche nach Arbeit. Wir sehen schon jetzt, dass informelle Siedlungen rund um die großen Städte wachsen. Die sozialen Probleme nehmen zu.

Den mehrheitlich weißen, kommerziellen Farmern in Südafrika geht es deutlich weniger schlecht als den überwiegend schwarzen Kleinbauern, denen schon seit Monaten das Vieh verdurstet. Da gehen Existenzen, die nach dem Ende der Apartheid über Jahre mühsam aufgebaut worden sind, für immer zugrunde.

Es ist richtig, dass die kommerziellen Farmer mehr Puffer haben. Unser Verband hat ein Hilfsprogramm aufgelegt, um den Bedürftigen mit Wasser und Lebensmitteln zu helfen. Aber das, was wir bislang gesammelt haben, und das, was die Regierung an Hilfen versprochen hat, reicht bei Weitem nicht aus. Es werden mindestens 700 Millionen Euro benötigt werden, um die Schäden, die der Agrarsektor infolge der Dürre erleidet, wieder zu beheben. Die Regierung hat bislang nur einen kleinen Teil davon zugesagt. Wir müssen leider einsehen, dass wir weitgehend auf uns selbst gestellt sind.

Was wir derzeit erleben, ist zwar eine Jahrhundertdürre - aber Klimaforscher warnen schon seit Langem davor, dass derartige Krisen sich häufen könnten. Hätten sich die Bauern nicht schon länger dafür rüsten müssen, etwa indem sie die alten Bewässerungssysteme auf den neuesten Stand bringen?

Hier in Südafrika sind wir ein bisschen verwöhnt; wir haben gelernt, uns darauf zu verlassen, dass wir jedes Jahr die wahrscheinlich besten und zugleich günstigsten Lebensmittel zur Verfügung haben. Das Essen war einfach immer da. Diese Krise lehrt uns nun umso eindringlicher, wie wichtig es ist, gut geplante Bewässerungssysteme zu haben und diese funktionsfähig zu erhalten.

Ein großer Mentalitätswandel also?

Nur etwa zwölf Prozent der südafrikanischen Landfläche gelten als urbar. Die Tatsache, dass wir seit Jahrzehnten unter diesen Bedingungen so gute Erträge erzielt haben, zeigt schon, dass wir Farmer hier unsere Methoden stetig verfeinert und modernisiert haben. Wir werden es auch in Zukunft schaffen, mit erschwerten Bedingungen umzugehen. Die jetzige Krise zeugt nicht in erster Linie von technischen Anpassungsschwierigkeiten an den Klimawandel - sondern vor allem von politischen Versäumnissen.

Welche Versäumnisse meinen Sie?

Die Regierung hätte viel eher Rücklagen für eine solche Situation schaffen müssen. Jetzt reagiert sie zu spät, und die Hilfen sind zu gering. Mit entschlossenerem Einschreiten hätte man die Auswirkungen der Dürre deutlich abmildern können, so, wie es etwa bei der letzten schweren Trockenheit im Jahr 1992 gemacht wurde.

Schätzungen zufolge haben bereits mehr als 35 000 Farmarbeiter ihren Job verloren. Stünden in einer solchen Lage nicht gerade die kommerziellen Farmer, die seit Generationen privilegiert leben, in der Verantwortung, diesen Arbeitern über die Krise hinweg zu helfen?

Damit beschäftigen wir uns durchaus. Wir haben die Regierung gebeten, die Gehälter der Arbeiter für die kommendem Monate mit 50 Prozent zu bezuschussen. Ohne solche Subventionen ist es schwierig. Wenn Ihnen die Hälfte Ihrer Ernte weg bricht, können Sie nicht einfach die gleiche Zahl von Leuten voll weiterbeschäftigen.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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