Südafrika:Der Zorn der Jungen

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Studenten protestieren gegen hohe Uni-Gebühren und soziale Ungleichheit.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Die Polizei hat ihn über Nacht verhaftet, jetzt marschiert er wieder. Zusammen mit einigen Hundert weiteren Studenten der Universität Kapstadt, in einem Protestzug, der nach Aussage der Organisatoren der "Beginn einer Revolution" sein soll. Lwando Mbetha, Student der Theaterwissenschaften, lebt in Khayelitsha, einer der größten Townships des Landes; er ist 1993 geboren, kurz vor dem Ende des Apartheid-Regimes. Sein Traum ist es, eines Tages Theaterstücke zu schreiben wie sein großes Vorbild Bertolt Brecht.

Doch jetzt geht es zunächst darum, sich einem ganz konkreten Problem entgegenzustellen: Seine Universität will die Studiengebühren um 11,5 Prozent erhöhen, ebenso eine Reihe weiterer Hochschulen im Land. Dagegen protestieren seit vergangenem Wochenende überall im Land Studenten, und ihre Wut richtet sich zunehmend auf Grundsätzliches: die tiefe Spaltung des Landes in Arm und Reich, was - gut zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid - noch immer nahezu gleichbedeutend ist mit: Schwarz und Weiß. "Wir kämpfen im Grunde gegen die gleichen Dinge, gegen die schon unsere Eltern gekämpft haben", sagt Lwando Mbetha.

Die geplante Gebührenerhöhung werde es Kindern aus armen, schwarzen Familien noch schwerer machen, einen Aufstieg zu schaffen, sagen die Protestierenden. Ihr Zorn richtet sich gegen Bildungsminister Blade Nzimande, der die Verantwortung jedoch an die Leitungen der einzelnen Universitäten weiterreicht; diese entschieden selbst über ihre jeweiligen Gebühren - und sollten dabei "mehr Vorsicht und Sensibilität" walten lassen, um schädliche Auswirkungen auf arme Studenten zu minimieren. Die Verwaltungen verweisen ihrerseits auf steigende Kosten, die man nur durch höhere Gebühren decken könne - oder aber durch wesentlich höhere Zuschüsse des Staates.

Am Dienstagmittag taucht plötzlich Mmusi Maimane, der Vorsitzende der Oppositionspartei Democratic Alliance (DA), am Rand des Demonstrationszuges in Kapstadt auf, in Pullover und Turnschuhen. Er spricht in ein paar Kameras, bis seine Stimme von einem anschwellenden Sprechchor übertönt wird, der ihn zum Verschwinden drängt. "Wir brauchen deine Unterstützung nicht!", ruft ihm einer hinterher.

Schon jetzt sind die Demonstrationen die größten Studentenproteste seit Ende der Apartheid. Bildungsminister Nzimande hat für Mittwoch ein Krisentreffen mit Vertretern von Hochschulen und Studentenorganisationen einberufen. Man müsse alles daran setzen, die "Stabilität in unseren Institutionen" zu wahren und die anstehenden Examensprüfungen nicht zu gefährden. Die Organisatoren der Proteste haben unterdessen angekündigt, am Mittwoch den Unterricht an allen Universitäten des Landes lahmzulegen.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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