Südafrika:Deckung für einen Flüchtigen

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Der sudanesische Präsident Omar al-Baschir verlässt unbehelligt Südafrika - obwohl die internationale Strafjustiz wegen Völkermords nach ihm fahndet.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Der mit zwei internationalen Haftbefehlen gesuchte Präsident des Sudan, Omar al-Baschir, ist am Montag aus Südafrika geflohen, obwohl der Oberste Gerichtshof in der Hauptstadt Pretoria zuvor ein Ausreiseverbot verhängt hatte. Baschir war im Rahmen des Gipfeltreffens der Afrikanischen Union (AU) zu Gast in Südafrika, nachdem der dortige Präsident Jacob Zuma ihm Immunität zugesichert hatte. Er tat dies, obwohl Südafrika als Mitgliedstaat des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) verpflichtet ist, dessen Haftbefehle auszuführen.

Baschir soll sich vor dem Gericht in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen des Verdachts auf Völkermord verantworten: In der sudanesischen Provinz Darfur sind seit Ausbruch eines Konflikts zwischen Aufständischen und Regierungstruppen mindestens 300 000 Menschen getötet worden, 2,7 Millionen sind auf der Flucht. Vor Baschirs Ankunft in Südafrika am Samstagabend hatte der IStGH die dortige Regierung aufgefordert, "alles daranzusetzen, dass die Haftbefehle vollstreckt werden".

Der Oberste Gerichtshof in Pretoria verfügte, dass Baschir Südafrika nicht verlassen dürfe

Am Sonntag verfügte der Oberste Gerichtshof in Pretoria, dass Baschir das Land nicht verlassen dürfe, bis die Richter endgültig über seine Festnahme entschieden hätten. Das Verfahren ging am Montagnachmittag weiter, obwohl der sudanesische Informationsminister inzwischen verkündet hatte, Baschir sei aus Südafrika ausgereist. Im Anschluss an seine Ankunft werde der Präsident sich im Rahmen einer Pressekonferenz äußern. Dem war allerhand Verwirrung vorausgegangen: Ein juristischer Vertreter der südafrikanischen Regierung hatte im Rahmen der Anhörung am Obersten Gerichtshof in Pretoria noch gesagt, zwar sei die sudanesische Präsidentenmaschine vom Militärflughafen Waterkloof gestartet. Jedoch habe Baschirs Name nicht auf der Passagierliste gestanden. Später jedoch sagte er, dass Baschir tatsächlich abgereist sei. Am Montagabend traf der Präsident in der Hauptstadt Khartum ein und ließ sich von Hunderten Anhängern feiern.

Zu Gast bei Freunden: Sudans Präsident Omar al-Baschir auf dem AU-Gipfel in Johannesburg. (Foto: Shiraaz Mohamed/AP)

Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, meldete sich zu Wort: Er nehme den Fall Baschir "sehr ernst", erklärte er von Genf aus: "Die Autorität des IStGH muss respektiert, seine Entscheidung umgesetzt werden."

Am Sonntagabend hatte sich die südafrikanische Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) jedoch offen gegen den IStGH positioniert. Ein Sprecher sagte, das Gericht in Den Haag ermittle einseitig gegen Afrikaner und sei "nicht länger von Nutzen." Am Montagnachmittag ordnete der Oberste Gerichtshof in Pretoria trotzdem die Festnahme Baschirs an: Die Behörden müssten ihn solange festhalten, bis ein formaler Antrag auf Auslieferung vom IStGH vorliege, hieß es. Kurz darauf stellte sich heraus, dass der sudanesische Präsident ausgereist war.

Der Vorsitzende Richter in Pretoria, Dunstan Mlambo, kritisierte das Verhalten der südafrikanischen Regierung, die Baschir nicht an der Ausreise gehindert habe. Das stelle einen Verstoß gegen die Verfassung dar. Südafrika gehört nicht zu den Erstunterzeichnern des Gründungsdokuments des IStGH, doch es hat die Zusammenarbeit mit dem Den Haager Gericht in seine Gesetzgebung übernommen. Der jetzige Affront gegen den Internationalen Strafgerichtshof steht aber durchaus im Einklang mit der Praxis der Afrikanischen Union. Die AU wirft dem Gericht vor, voreingenommen gegenüber Afrikanern zu sein. Die Union hat ihre Mitgliedstaaten aufgerufen, nicht länger mit dem Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten. Die wenigen Auslandsreisen, die Sudans Präsident Baschir seit den Haftbefehlen des IStGH angetreten hat, unternahm er vor allem in befreundete afrikanische Staaten.

Kenneth Roth, Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sagte am Montagnachmittag, Südafrika habe "den Internationalen Strafgerichtshof sowie ein einheimisches Gericht schändlich verhöhnt". Die Welt habe dem Land seinerzeit "im Kampf gegen die Apartheid beigestanden", jetzt aber stehe Südafrika für "Straflosigkeit von Massenmord an Afrikanern".

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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