Südafrika:Château baraque

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Auf vielen Weingütern Südafrikas herrschen miserable Zustände. Doch bei deutschen Kunden zählt oft nur der Preis.

Von Bernd Dörries

Der Sauvignon Blanc ist derzeit vielleicht das, was der Pinot Grigio früher einmal war: ein Modeweißwein, der immer geht, fruchtig-sommerlich im Geschmack, selbst im Winter, wenn man unter dem Heizpilz sitzt. Viele der Flaschen, die in Deutschland so gerne getrunken werden, kommen aus Südafrika. Es ist ein Weißwein, der vielleicht ein bisschen zu weiß ist, fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Apartheid-Regimes.

"Die Strukturen sind immer noch gleich, die Weißen haben das Sagen, für die Arbeiter gibt es keine Chancengleichheit", sagt Trevor Christians, der Generalsekretär der Farmarbeiter-Gewerkschaft, die in diesen Tagen mal wieder zum Streik aufgerufen hat auf zwei der größten Weingüter des Landes. Dort werde nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn von etwa neunzig Cent die Stunde gezahlt, sagen die Gewerkschaften - das ist ein Zehntel des deutschen Minimallohns von 8,50 Euro. Etwa 300 000 Menschen beschäftigt die Weinindustrie in Südafrika, viele leben auf den Gütern in Baracken ohne Wasser und Strom, in "sklavenähnlichen Verhältnissen", wie es eine Studie der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika beschreibt. Mehr als 200 Euro im Monat verdient kaum einer der Arbeiter für die harte Plackerei an den Reben, manche Weingüter zahlten den Lohn teilweise sogar in Wein aus, sagen Kritiker, was übrigens illegal sei.

Südafrika ist eigentlich eine Nation, die eher zum Bier neigt als zum Wein, es wird dort etwa zehnmal mehr Gerstensaft als vergorener Traubensaft konsumiert. Trotzdem ist gerade der Wein eine Erfolgsgeschichte, ein seltener Lichtblick in einem Land, dessen Wirtschaft in der Rezession steckt und dessen Politik von Korruptionsskandalen gelähmt ist. Um mehr als zwanzig Prozent ist der Wein-Absatz allein in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. Doch zu welchem Preis, fragen die südafrikanischen Gewerkschaften.

In den Siebzigerjahren wurde in Deutschland und in den Niederlanden zum Boykott von südafrikanischen Produkten aufgerufen. Heute trinken wohl auch viele der Aktivisten von damals gerne einen Weißwein für 2,29 Euro vom Discounter - der nur durch die Ausbeutung der Farmarbeiter so günstig zu verkaufen ist. Seit Jahren schon machen Kritiker in regelmäßigen Abständen auf die Zustände in der Weinindustrie am Kap aufmerksam, in Dänemark und Schweden führte ein Dokumentarfilm 2016 dazu, dass viele Supermärkte südafrikanischen Wein aus den Regalen nahmen. In Deutschland indes tut sich wenig.

Dabei hätte der Verbraucher durchaus die Wahl. Eine Reihe von Weingütern hat sich in den vergangenen Jahren durch die Siegel "Fairtrade" und das noch strengere "Fair for Life" zertifizieren lassen, die Weine sind teilweise auch bei Lidl zu bekommen. Das Vorzeigeweingut Stellar Organics hat seine Arbeiter sogar zu einem Viertel am Betrieb beteiligt, es baut zudem biologisch an und gibt zehn Cent pro Flasche für soziale Projekte zugunsten der Belegschaft aus. In mehr als 800 Läden ist der Wein in Deutschland zu haben, Absatz nur leicht steigend. Es ist wie so oft: Der Verbraucher hat die Wahl, doch er wählt oft das Falsche.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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