Südafrika:Aufmarsch der Gestrigen

Lesezeit: 2 min

Der frühere Präsident Jacob Zuma kontert Korruptionsvorwürfe mit Verschwörungsmärchen. Und erschreckend viele ANC-Genossen halten ihm die Treue.

Von Bernd Dörries

Sie marschierten in Kampfmontur, sie sangen die alten Lieder und kamen zu spät - sie sahen aus, als seien sie ein bisschen von gestern. Als Südafrikas ehemaliger Präsident Jacob Zuma am Montag vor einer Untersuchungskommission damit begann, seine Sichtweise der jüngeren Geschichte des Landes zu erläutern, versammelten sich vor dem Haus seine engsten Unterstützer.

Drinnen erklärte Zuma, er habe mit Korruption und Bereicherung rein gar nichts zu tun - das sei alles eine Verschwörung fremder Mächte, von ausländischen Geheimdiensten und dem Apartheid-Regime, die übrigens auch versucht hätten, ihn zu vergiften. Wie zum Beleg hüstelte Zuma. Draußen sangen seine Fans eigens komponierte Lieder auf ihren unbeugsamen Helden. Es wirkte etwas verrückt und wie aus der Zeit gefallen. Was aussah wie das letzte Aufbäumen des alte Regimes, könnte aber erst der Anfang sein.

Als Zumas Nachfolger Cyril Ramaphosa im Februar 2018 der neue Präsident des Landes wurde, war das für viele eine Zeitenwende, der Beginn einer neuen Ära. Ramaphosa versprach den Kampf gegen die Korruption und eine bessere Zukunft für alle Südafrikaner, auch für die Millionen von Schwarzen, die seit dem Ende der Apartheid nun zwar in Freiheit lebten, aber noch unter denselben erbärmlichen Bedingungen. Dass es ein langer Weg werden würde, war jedem klar. Zuma hatte in einem knappen Jahrzehnt den Staat mit seiner korrupten Clique unterwandert und ausgehöhlt: Der staatliche Energieversorger, die Fluglinie und die Eisenbahn, sie wurden mit Hilfe von internationalen Unternehmen wie SAP und McKinsey ausgeplündert.

Die nach ihrem Vorsitzenden benannte Zondo-Kommission leistet seit Monaten hervorragende Arbeit in der Aufarbeitung der Zuma-Ära. Dass der Angeklagte dort nicht erscheinen würde, um seine Fehler einzugestehen und sich zu entschuldigen, das war zu erwarten. Sein Auftritt voller Verschwörungstheorien, Drohungen und Frontalangriffe gegen den ANC und seinen Nachfolger zeigt aber, dass Zuma sich keineswegs geschlagen gibt.

Als Ramaphosa an die Macht kam, rechneten viele damit, dass sich die Getreuen Zumas nach und nach umorientieren, ihr Fähnchen nach dem Winde halten würden. Das ist nicht eingetreten, es gibt heute nicht wenige im ANC, die aktiv den Sturz Ramaphosas betreiben, die zurück wollen in die dunkle alte Zeit, die für sie finanziell lukrativer war. Auch weil sie offenbar das Gefühl haben, wenig befürchten zu müssen.

Bisher wurde kein einziger Politiker der Zuma-Ära vor Gericht gestellt

Bisher gibt es ja nur die Kommission, die aufklärt, aber keinerlei juristische Hebel hat. Bisher wurde kein einziger Politiker der Zuma-Ära vor Gericht gestellt, ja nicht einmal aus der Partei ausgeschlossen. Im ANC herrscht weiter die alte Mentalität, wer diejenigen kritisiert, die sich auf schäbige Weise bereichern, der gilt als Verräter "an der Sache", als von Weißen gekauft. Es ist die Mentalität einer Befreiungsbewegung, die zusammenrückt, wenn Kritik von außen kommt. Darauf setzt auch Jacob Zuma wieder. Und es funktioniert, weil Cyril Ramaphosa bisher nicht energisch genug gegen die Gegner der Demokratie vorgegangen ist. Er gilt als guter Verhandler, versuchte bisher einen vorsichtigen Wandel, ohne Zumas Leute gegen sich aufzubringen. Dessen Auftritt vor der Kommission hat aber gezeigt, dass es nichts zu verhandeln gibt. Es geht um alles oder nichts.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: