Südafrika:Demokratie-Symbol in Flammen

Lesezeit: 2 min

Kapstadt am Sonntag: Feuerwehrleute machen sich von oben ein Bild von der Gefahrenlage am brennenden Parlament. (Foto: Rodger Bosch/AFP)

In Kapstadt brennt das Gebäude des südafrikanischen Parlaments. Politiker zeigen sich bestürzt, manche vermuten Brandstiftung. Aber auch politische Fahrlässigkeit könnte eine Rolle spielen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Als die letzten Feuerwehrwagen der Nachtschicht am frühen Montagmorgen das Gelände des südafrikanischen Parlaments verließen, applaudierten eine Handvoll Schaulustige und riefen den Feuerwehrleuten hinterher: "Gute Arbeit." Ein Lob, das die Abgeordneten, deren Arbeitsstätte die Brandbekämpfer seit dem frühen Sonntag zu retten versuchten, wohl eher selten zu hören bekommen.

Von außen wirkt das Gebäude in Kapstadt, das die beiden Kammern des Parlaments beherbergt, nicht sonderlich beschädigt. Viele weißgetünchte Mauern und Säulen des neoklassizistischen Gebäudes sehen aus wie immer. Erst auf den zweiten Blick stechen die verkohlten Fenster ins Auge, der schwarze Rauch an der Fassade über dem Säuleneingang. Drinnen muss der Schaden gravierend sein. Ein Teil des Daches ist eingestürzt, Abgeordnetenbüros sind verwüstet, der Parlamentssaal kann nicht betreten werden. Präsident Cyril Ramaphosa eilte gleich am Sonntag zum Unglücksort und sprach von einem "schrecklichen und verheerenden Ereignis".

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Noch am Samstag zuvor hatte Ramaphosa in der nur wenige Meter entfernten St George's Cathedral die Trauerrede für den verstorbenen Desmond Tutu gehalten. "Der Erzbischof wäre ebenfalls am Boden zerstört gewesen, denn er hat für diesen Ort gebetet, ihn unterstützt und wollte, dass er als Hort unserer Demokratie erhalten bleibt", sagte Ramaphosa am Tag danach. Die Sprecherin der Nationalversammlung lobte die Feuerwehr für ihr schnelles Eingreifen. "Ohne ihren Einsatz hätte der Schaden noch viel schlimmer ausfallen können. Sie waren innerhalb von sechs Minuten nach dem Alarm zur Stelle."

Der alte Teil des Parlamentsgebäudes stammt aus dem Jahr 1884, als die Kapregion noch eine britische Kolonie war. Später zog die Regierung Südafrikas in die Hauptstadt Pretoria, doch die Abgeordneten blieben in Kapstadt und waren lange Zeit nur weiß. In den Achtzigern, als das Apartheidregime einen verzweifelten Versuch machte zu überleben, wurden auch indischstämmige Bürger und People of Color als Abgeordnete zugelassen, und das Gebäude erhielt einen Anbau. Seit 1994 alle Hautfarben wählen dürfen, hat der ANC die Mehrheit im Parlament.

War es Brandstiftung - oder Schlamperei und Sparzwang?

Doch die Volksvertreter haben seit Ausbruch der Corona-Pandemie nicht mehr vollzählig getagt - und werden es wohl auch nun nicht so bald tun, obwohl der eigentliche Parlamentssaal eher glimpflich davongekommen zu sein scheint. Genaueres werden aber erst die kommenden Tage zeigen. Am Montagmorgen schien das Feuer zunächst unter Kontrolle. Am Nachmittag war es schon wieder ausgebrochen, womöglich heftiger als zuvor. Der Schaden geht in die Millionen.

Eigentlich bereitete sich das Parlament gerade auf die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation vor, ein wichtiges Datum im politischen Kalender des Landes. Nicht zuletzt deshalb wird spekuliert, dass es sich bei dem Feuer um vorsätzliche Brandstiftung gehandelt haben könnte. Ein 49-jähriger Mann, der sich auf dem Parlamentsgebäude befunden haben soll, wurde festgenommen. Was genau ihm nachgewiesen werden konnte, ist aber noch unklar. Am Dienstag soll er dem Haftrichter vorgeführt werden, bisher wird ihm offenbar nur Hausfriedensbruch und Diebstahl vorgeworfen.

Die Infrastrukturministerin und ehemalige Bürgermeisterin Kapstadts, Patricia de Lille, berichtete am Sonntag, die Wasserleitungen des Sprinklersystems seien mutwillig abgeschaltet worden. JP Smith, der für die Sicherheit zuständige Stadtrat, sprach allerdings davon, dass möglicherweise das Feuerlöschsystem nicht gewartet worden sei - man habe dafür jedenfalls bisher keine Unterlagen gefunden.

Bereits im März 2021 hatte es im Parlament gebrannt, damals war ein Kurzschluss der Auslöser gewesen, fanden Ermittler heraus. Das Parlament gab anschließend Berichte in Auftrag, die klären sollten, wie das historische Gebäude künftig besser gesichert werden könne. Viele der Empfehlungen seien aber nicht umgesetzt worden, kritisiert die Opposition nun. Nach Angaben der Gewerkschaft habe sich am Sonntag kein Sicherheitsdienst im Haus befunden, weil die Verwaltung entschieden habe, kein Geld für die fälligen Feiertagszulagen zahlen zu wollen.

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