Machtkampf:Opferzahlen im Sudan steigen

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Dunkle Rauchwolken verdunkeln den Himmel über Khartum. (Foto: -/AFP)

Der Konflikt zwischen den zwei mächtigsten Männern und ihren Militärapparaten im Sudan eskaliert weiter. Am Montag will der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Lage beraten.

Im Sudan haben sich die schweren Gefechte zwischen den rivalisierenden Lagern der zwei mächtigsten Männer des Landes fortgesetzt. Anwohner in der Hauptstadt Khartum berichteten von anhaltenden Schüssen und Explosionen. Aber auch in anderen Teilen des Landes am Nil gingen die Kämpfe weiter - etwa in der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer und in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt.

Bislang seien 97 Menschen getötet worden, teilte die sudanesische Ärzte-Organisation mit. Weitere 942 Menschen, unter ihnen Soldaten wie Zivilisten, seien verletzt worden. Bereits in der Nacht zum Montag meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 83 Tote und mehr als 1000 Verletzte. Die Opferzahlen könnten jedoch noch deutlich steigen. Am Montag will der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York über die Lage beraten.

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Der Machtkampf im Sudan lässt das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen etwa 46 Millionen Einwohnern und reichen Öl- und Goldvorkommen im Chaos versinken. Wer dort auf dem Schlachtfeld gerade die Oberhand hat, ist angesichts der unübersichtlichen Lage und widersprüchlichen Angaben beider Konfliktparteien unklar. Sowohl die sudanesischen Streitkräfte unter dem Befehl von De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan als auch die von seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo angeführte paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) verbreiten Erfolgsmeldungen, deren Wahrheitsgehalt sich kaum überprüfen lässt.

Ausgelöst wurde der Konflikt laut Beobachtern durch einen Streit über die Integration der RSF in das Militär als Teil des Übergangs zu einer zivilen Regierung. In dem von schweren Wirtschaftsproblemen gebeutelten Sudan hatten Massenproteste 2019 zum Sturz des jahrzehntelangen Herrschers Omar al-Baschir geführt. Daran waren die Armee und die RSF beteiligt. Militär und zivile Gruppen einigten sich damals auf eine Übergangsregierung. Faktisch teilen sich die RSF und das Militär die Macht im Land, doch spannungsfrei war das Verhältnis beider Lager nie.

Im Oktober 2021 kam es zu einem Putsch, bei dem das Militär die Macht vollständig übernahm. Seitdem wurde bei Protesten immer wieder der Rückzug des Militärs aus der Politik gefordert. RSF-Chef Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemedti, hatte sich zuletzt an die Spitze einer Bewegung gestellt, die das Land nach eigenen Angaben in die Demokratie führen will.

Mohammed Hamdan Daglo (auch Dagalo) ist Chef der RSF, die das Land - so behaupten sie - in die Demokratie führen will. (Foto: MOHAMED NURELDIN ABDALLAH/REUTERS)

Die RSF hatten nach Ausbruch der Kämpfe am Samstag erklärt, sie hätten die Kontrolle über den Präsidentenpalast, die Residenz von General Abdel Fattah al-Burhan und den Flughafen von Khartum übernommen. Am Sonntag hieß es, die Armee habe die Kontrolle über einen Großteil des Präsidentenpalastes zurückerobert. In Khartum waren am Sonntag Schüsse und Explosionen zu hören. Geschützwagen und gepanzerte Fahrzeuge fuhren durch die Stadt. Banken und Behörden blieben geschlossen.

Zeugen berichteten von Artilleriegefechten auch in den Städten Omdurman und Bahri nahe Khartum. Schüsse fielen demnach auch in der Hafenstadt Port Sudan (Bur Sudan) am Roten Meer, aus der zuvor keine Kämpfe gemeldet worden waren.

Das Welternährungsprogramm der UN stellt nach eigenen Angaben im Sudan die Arbeit ein

Zeugen und Anwohner sagten, ein großes Problem seien Tausende schwer bewaffneter RSF-Kämpfer, die in Vierteln von Khartum und anderen Städten stationiert seien und von offizieller Seite nicht kontrolliert werden könnten. Das staatliche Fernsehen stellte seine Sendungen mit der Begründung ein, die Ausstrahlung von RSF-Propaganda zu verhindern.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) erklärte, es habe seine Arbeit in den vom Hunger geplagten Gebieten des Sudan zunächst beendet, nachdem drei sudanesische Mitarbeiter bei Kämpfen getötet und ein WFP-Flugzeug auf dem Flughafen von Khartum getroffen worden sei.

Aufgrund der schweren Gefechte in Khartum sind die Krankenhäuser in der Hauptstadt, in deren Umland rund sechs Millionen Einwohner leben, laut WHO überlastet. Wasser- und Stromausfälle sowie fehlender Treibstoff für die Stromgeneratoren der Krankenhäuser erschwerten den Betrieb weiter.

Die USA, China, Russland, Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinten Nationen und die Europäische Union forderten ein Ende der Kämpfe. Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al-Saud führte nach Angaben staatlicher Medien Telefongespräche mit Burhan und Hemedti.

Drei ostafrikanische Präsidenten wollen als Vermittler in den Sudan reisen, um den Konflikt beizulegen. Kenias Präsident William Ruto, Südsudans Präsident Salva Kiir und Dschibutis Präsident Ismail Omar Guelleh sollen zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Khartum eintreffen, teilte die kenianische Regierung mit. Der Sudan forderte, man solle dem Land eine interne Lösung ohne ausländische Einmischung erlauben.

© SZ/Reuters/dpa/tpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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