Sudan:General ohne Gnade

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Grausamkeit als Erfolgsrezept: Mohamed Hamdan Dagalo war Milizenführer und ist nun stellvertretender Chef des Militärischen Übergangsrates im Sudan. (Foto: AP)

Für das Blutbad in Khartum ist die Truppe des früheren Milizenchefs Hemeti verantwortlich. Europäische Diplomaten lobten ihn einst als Garant der Stabilität.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Vor etwa zehn Jahren noch empfing Mohamed Hamdan Dagalo Besucher in seinem Möbelladen in der Provinz, dessen Angebot Besucher als "vage orientalisch" beschrieben. Der Laden scheint nicht besonders gut gelaufen zu sein, sodass sich Dagalo wieder auf das konzentrierte, was er am besten kann: morden, vergewaltigen und brandschatzen. "Mann ohne Gnade" haben ihn internationale Menschenrechtsorganisationen über die Jahre immer wieder bezeichnet, im Sudan nennen sie ihn "Hemeti", wobei es für diesen Spitznamen verschiedene Schreibweisen gibt. Ob Hemeti weiß, welche die richtige ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, der Sohn von Kamelhändlern hat keinen Schulabschluss. Dennoch hat er es zum Multimillionär und derzeit mächtigsten Mann des Sudan gebracht.

Formal gesehen ist der wahrscheinlich 44-Jährige nur stellvertretender Chef des Militärischen Übergangsrates, der das Land seit dem Sturz von Langzeitdiktator Omar al-Baschir regiert. Letztlich scheint aber er die Entscheidungen über die Zukunft von 40 Millionen Sudanesen zu treffen. Hemeti war lange ein enger Vertrauter des Diktators al-Baschir, der nannte ihn angeblich "Hemayti" - woraus sich später der Spitzname ableitete und was im Arabischen wörtlich "mein Schutz" bedeutet. Mit seinen etwa 50 000 Kämpfern der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) war er so etwas wie die Leibgarde des alternden Diktators. Solange der Preis stimmte zumindest.

Als dem Regime dann aber im Zuge einer Wirtschaftskrise das Geld ausging und Hunderttausende Demonstranten monatelang erst gegen steigende Brotpreise und schließlich gegen al-Baschir demonstrierten, wechselte Hemeti geschmeidig die Seiten. Er stürzte al-Baschir und gab sich fortan als Demokrat, brüstete sich damit, nicht auf Demonstranten geschossen zu haben, als dies sein alter Förderer verlangte. "Wir wollen freie und faire Wahlen, wir wollen, dass jeder Sudanese den Führer wählen kann, den er möchte", sagte er im April zu den Hunderttausenden Demonstranten, die für einen neuen Sudan gekämpft haben.

Europäische Diplomaten lobten seine umgängliche Art und priesen ihn als Garant der Stabilität in einer unruhigen Region. Die meisten Demonstranten blieben misstrauisch, weil sie wussten, mit wem sie es zu tun haben. Hemetis paramilitärische Truppe ist viele Jahre mordend, vergewaltigend und brandschatzend durch die Region Darfur gezogen, sie ist für einen grausamen Völkermord mit etwa 300 000 Toten verantwortlich. Am Montag haben er und seine Truppen in Khartum dort weitergemacht, wo sie in Darfur aufgehört haben. Sie haben das Protestcamp vor dem Armeehauptquartier geräumt, sie haben Menschen erschossen und in den Nil geworfen, haben vergewaltigt und die Zeltstadt angezündet, in der die Demonstranten schliefen, in der sie Ideen für einen neuen Sudan sammelten.

Es war so etwas wie ein Jahrmarkt der Demokratie: Alle Gruppen, deren Mitglieder in den vergangenen Jahrzehnten unterdrückt, geknechtet und ermordet wurden, konnten plötzlich von ihrem Leid erzählen, zum ersten Mal. Frauen verteilten Broschüren, in denen Feminismus und Gleichberechtigung erklärt wurden. Eine Gruppe aus Darfur hatte riesige Plakate aufgestellt, mit den drastischen Bildern der Toten. Es ist ein Konflikt, der Hemeti reich und mächtig gemacht hat.

Er ist Angehöriger einer arabischstämmigen Familie aus Tschad, die wie viele andere Araber in die Region Darfur ausgewandert sind, wo auch viele schwarzafrikanische Gemeinschaften leben. Spannungen entstanden, die Schwarzafrikaner verlangten mehr Mitsprache und Autonomie, das ebenfalls arabischstämmige Regime um al-Baschir in der fernen Hauptstadt Khartum hatte schon genug andere Konflikte zu lösen und lagerte den Krieg in Darfur an lokale Milizen aus, die Dschandschawid, versorgte sie mit Geld und Waffen, mit dem Ziel, die schwarzafrikanische Bevölkerung zu vernichten.

Hemeti machte seine Sache so gut, dass er in den engsten Zirkel um al-Baschir vorrückte, die zur "Rapid Support Force" umbenannte Miliz wurde fortan zu einer Art Präsidentengarde, die sich neue Geschäftsfelder erschloss. Hemeti und die RSF schleusten Tausende junge Sudanesen in den Krieg nach Jemen, wo sie auf der Seite Saudi-Arabiens kämpfen und dafür reich entlohnt werden. Ein großer Teil des Solds bleibt bei Hemeti, genau wie die Gewinne aus einer Goldmine im Sudan, wo Tagelöhner für den General schuften. Auf etwa 350 Millionen Dollar belaufe sich sein Vermögen, prahlte Hemeti neulich im Fernsehen.

"Er ist ein ungebildeter Verbrecher", sagte ein junger Mathematikstudent aus Darfur vor einem Monat auf dem Protestcamp. Sein Vater wurde von den RSF-Milizen brutal ermordet, die das ganze Dorf niederbrannten. "Hemeti muss vor Gericht gestellt werden", sagte er. Eine Forderung, die viele Demonstranten stellten.

Und die Hemeti davon überzeugte, dass die Sache mit der Demokratie keine so gute Idee ist. Zumindest nicht, solange nicht sichergestellt ist, dass Wahlen nur so frei sind, dass sie mit Sicherheit dazu führen, dass er selbst oder einer aus seiner Clique an die Macht kommt. Nur so kann er seine Reichtümer behalten, nur so ist er vor Strafverfolgung sicher. Hemeti will deshalb in den nächsten neun Monaten wählen lassen, die Opposition ist dagegen, sie will mehr Zeit, um eigene Parteien und Strukturen aufbauen zu können, nach 30 Jahren Diktatur. Wer sich durchsetzt, ist unklar, die Opposition ruft zu Streiks und zum Barrikadenbau auf. Hemeti hat in der Hauptstadt mittlerweile etwa 13 000 Kämpfer zusammengezogen. Sie fahren mit Pick-ups durch die Straßen, an deren Seite Panzerfäuste baumeln. Sie sind wie ihr Chef zu allem bereit.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise von einer Goldmine in Jemen berichtet. Diese befindet sich jedoch im Sudan, in Norddarfur.

© SZ vom 08.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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