Sudan:Der Diktator soll sich verantworten

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Sudan will al-Baschir an das Internationale Strafgericht ausliefern - der einstige Machthaber hatte sich lange sicher gefühlt.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Ungewohnte Perspektive: Omar al-Baschir im September 2019 hinter Gittern. (Foto: Mohamed Nureldin Abdallah/Reuters)

Er ist einer der größten Massenmörder der afrikanischen Geschichte und war sich viele Jahrzehnte sicher, niemals für seine Taten zur Verantwortung gezogen zu werden, weil er ja das Gesetz war. 30 Jahre lang stand Omar al-Baschir an der Spitze des Sudan, die Liste seiner Verbrechen ist lang und immer noch nicht vollständig zusammengetragen: Sie reicht von der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung über organisierte Verschleppungen und Morde im heutigen Südsudan bis hin zum Völkermord in der Region Darfur, bei dem mindestens 300 000 Menschen ums Leben gekommen sind. So hoch schätzen die Ankläger des Internationalen Gerichtshofes die Zahl der Todesopfer in ihrer Anklage gegen al-Baschir. Sie haben vielleicht selbst nie geglaubt, dass er jemals in Den Haag auf der Anklagebank sitzen würde. Dazu wird es nun aber aller Wahrscheinlichkeit kommen. Die Übergangsregierung des Sudan hat am Dienstag beschlossen, den ehemaligen Diktator auszuliefern.

Die Entscheidung ist ein großer Erfolg für Hunderttausende junger Sudanesen, die im Frühjahr 2019 zahlreich und ausdauernd auf die Straßen der großen Städte des Landes gingen und gegen das Regime protestierten, bis die Militärs schließlich nachgaben und al-Baschir opferten. Ein "Gemeinsamer Souveräner Rat" wurde gegründet, eine Übergangsregierung, die je zur Hälfte aus Militärs und Vertretern der Opposition besetzt ist. Al-Baschir wurde schon im Herbst vergangenen Jahres in Khartum vor Gericht gestellt, aber nur wegen vergleichsweise geringer Vergehen, Bestechlichkeit und illegaler Devisenbesitz wurden ihm vorgeworfen. Der Prozess gab Einblicke in das Innerste des Regimes und enthüllte, dass al-Baschir vom saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman 25 Millionen Dollar in bar bekommen hatte, als kleines Dankeschön dafür, dass der Sudan Tausende Soldaten für den Krieg in Jemen abstellte, die dort am Boden kämpfen, während Riad aus der Luft agiert. Al-Baschir wurde dann aber lediglich zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die Verbrechen in Darfur und dem heutigen Südsudan waren nicht zur Anklage gekommen, zu heikel für die Generäle des Militärs, die Mittäter waren.

Seine Anwälte hatten bei den Verhandlungen im Gericht Claqueure in den ersten Reihen platziert, die eifrig klatschten und den Fernsehzuschauern das Bild des umjubelten Führers vermitteln sollten. Draußen im Land blieb al-Baschir verhasst, die Opposition blieb hartnäckig und forderte seine Überstellung nach Den Haag.

Gleichzeitig schwand die Loyalität der Generäle zu ihrem ehemaligen Chef, eine Überstellung nach Den Haag hat für sie nur Vorteile. Sie ist ein wichtiges Signal an die im Frühjahr stattfindende Geberkonferenz für den Sudan, deren Erfolg vor allem vom Wohlwollen des größten Gebers, der EU, abhängt, die stets die Auslieferung Baschirs gefordert hatte. Der Sudan braucht dringend Hilfsgelder und Investitionen, seit Monaten steigen die Brot- und Benzinpreise rasant, das Militär fürchtet neue Unruhen. Und ist deshalb auch bereit, sich mit alten Feinden zu versöhnen, wenn es im Gegenzug Unterstützung gibt.

Vergangene Woche hatte sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu überraschend mit General Abdel-Fattah Burhan in Uganda getroffen, dem Chef des Gemeinsamen Souveränen Rates. Die beiden beschlossen eine Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen, für Israel ein wichtiger Erfolg, weil Sudan unter al-Baschir über Jahrzehnte zu den größten Feinden gehörte. Palästinenservertreter sprachen nach dem Treffen erbost davon, dass der Sudan der Sache Palästinas das "Messer in den Rücken" gestoßen habe. Umgekehrt erwartet der Sudan von Israel Unterstützung bei seinen Bemühungen, von der Antiterrorliste der USA zu kommen, die das Land für ausländische Investoren unattraktiv macht.

Wann al-Baschir nach Den Haag überstellt wird, ist noch unklar. Die Entscheidung wird in anderen afrikanischen Länder wohl wenig Beifall finden, bei vielen gilt der Internationale Gerichtshof als voreingenommen, weil er vor allem Afrikaner anklage. Länder wie Südafrika oder Uganda ließen al-Baschir trotz Haftbefehls ein- und ausreisen.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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