Machtwechsel im Sudan:Hymnen auf eine neue Zeit

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Siegestaumel in Khartum: Sudanesische Demonstranten feiern das politische Ende von Diktator Omar al-Baschir, obwohl sie in diesem Moment auch kaum mehr wissen, als dass das Militär eine "wichtige Mitteilung" machen werde. Kurz darauf erklärte die Armee die vorläufige Übernahme der Macht. (Foto: AFP)
  • Seit Monaten gingen Hunderttausende gegen den sudanesischen Diktator al-Baschir auf die Straße.
  • Nun hat sich das Militär auf die Seite der Demonstranten geschlagen und die Macht übernommen.
  • Ihr Wunsch nach einer zivilen Übergangsregierung und baldigen demokratischen Wahlen erfüllt sich zunächst nicht.

Von Bernd Dörries, Köln

Eine Million Menschen wollten der sudanesische Diktator Omar al-Baschir und seine Partei am Donnerstag auf die Straßen der Hauptstadt Khartum bringen, so hatten sie es angekündigt und der Veranstaltung gleich noch den Namen "Marsch der Millionen" gegeben. Es sollte eine machtvolle Demonstration werden, ein Zeichen der Unterstützung für al-Baschir, gegen den seit Monaten Hunderttausende auf die Straßen gehen - aber kaum jemand für ihn. Das änderte sich auch am Donnerstag nicht. Vom Marsch der Millionen war nichts zu sehen, die Bilder aus der Hauptstadt zeigten im Gegenteil Zehntausende, die den wohl letzten Tag al-Baschirs an der Macht feierten. Autokorsos hupten, Frauen und Männer dichteten Hymnen auf die neue Zeit und rissen Poster mit dem Porträt des ewigen Präsidenten von den Wänden.

Viele Sudanesen geben die Hälfte ihres Gehaltes für Brot aus, weil die Inflation so hoch ist

Der Morgen hatte für viele Sudanesen damit begonnen, dass im Staatsfernsehen und auf einigen Radiostationen patriotische Lieder abgespielt wurden, was die Älteren an die Militärputsche der Vergangenheit erinnerte, die auch immer mit den alten Liedern begannen. Wenig später kündigte ein Militärsprecher eine "wichtige Mitteilung" an. Die ließ dann aber auf sich warten. Viele in der Hauptstadt hatten jedoch keine Lust zu warten, sie zogen auf die Straßen, um das Ende von al-Baschir zu feiern, um Tatsachen zu schaffen.

Verschiedene arabische Medien verkündeten seit dem Morgen das Ende des Regimes, mal durch einen Putsch, mal durch den Rücktritt des Diktators. Die Quellenlage war undurchsichtig, manches was verkündet wurde, schien eher Wunsch zu sein als Ereignis. Gegen Mittag dann verkündete Verteidigungsminister Awad Ibn Auf die Machtübernahme des Militärs für zwei Jahre und das Ende al-Baschirs. Der wollte eigentlich in diesem Jahr sein 30-jähriges Amtsjubiläum feiern. Nun wird es ein Abschied, er sitzt bereits in Haft, Saudi-Arabien soll ihm Exil angeboten haben.

Gegen den 75-Jährigen liegt ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofes vor, wegen des Genozids in Darfur. Es ist eines von zahlreichen Verbrechen al-Baschirs, der seit Jahrzehnten jeden Protest, jede Unabhängigkeitsbewegung blutig niederschlug und einst Osama bin Laden Unterschlupf gewährte. Dies brachte ihn auf die Sanktionsliste der USA - und die Wirtschaft fast zum Erliegen. Seit Jahren steht das Regime vor dem Kollaps, seit Jahren versuchte al-Baschir, sich durch immer neue Allianzen und Annäherungen zu retten. Am Ende stand er fast alleine da, kaum ein Land hatte noch Lust, diesen Diktator zu unterstützen.

Diesmal fehlte der Rückhalt der Streitkräfte

Erst hatte sich al-Baschir den USA angenähert, unterstützte den Kampf gegen den Terror, um von den Sanktionslisten zu kommen. Als die Wirtschaft dennoch nicht ins Laufen kam, wandte er sich mal an Russland, mal an die Türkei oder Katar, verprellte alte Weggefährten wie Iran. Nun scheint er am Ende zu sein. Seit Jahrzehnten hatte es immer wieder Proteste gegen ihn gegeben, jedes Mal erstickte er sie mit einer Mischung aus Repression und Zugeständnissen. Diesmal war es anders, diesmal fehlten ihm das Geld und der Rückhalt der Streitkräfte.

Begonnen hatten die Demonstrationen Ende November, als die Regierung die staatlichen Zuschüsse für Weizen und Benzin kürzte, wodurch sich der Brotpreis verdreifachte. Viele Sudanesen geben nun fast die Hälfte des Gehalts für Brot aus; selbst Ärzte verdienen nur etwa 30 Dollar im Monat - bei einer Inflation, die im November bei 70 Prozent lag. Die Kürzung der Subventionen war eine Bedingung des Internationalen Währungsfonds (IWF), eine Bedingung für neue Kreditlinien - dem Regime von al-Baschir geht das Geld aus. Seit der Abspaltung des Südsudan mit seinen Ölvorkommen im Jahr 2011 sind die Hälfte der Staatseinnahmen weggefallen. Das Öl war das Schmiermittel, mit dem al-Baschir den Sudan einigermaßen am Laufen hielt. Es blähte den öffentlichen Sektor künstlich auf, viele Ministerien existieren doppelt, weil so viele Leute mit Posten versorgt werden mussten. Aber auch viele dieser Unterstützer merkten nun offenbar, dass es so nicht mehr weitergehen kann.

Entscheidend war die Rolle der Armee, die sich auf die Seite der Demonstranten schlug. Diese hatten vor einigen Tagen damit begonnen, das Verteidigungsministerium zu blockieren, auf dessen Gelände sich auch die Residenz des Präsidenten befindet. Dessen Geheimdienste versuchten, die Demonstranten zu zerstreuen, feuerten auf sie, wurden im Gegenzug aber auch von Soldaten unter Beschuss genommen, so berichteten es Zeugen in den sozialen Medien. Die Demonstranten wünschen sich von der Armee die Bildung einer zivilen Übergangsregierung, die ein Jahr amtieren und demokratische Wahlen vorbereiten soll. Verteidigungsminister Awad Ibn Auf setzte sich nun aber vorerst selbst an die Spitze des Staates.

© SZ vom 12.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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