Studie:"Für viele Frauen ist das Zuhause ein gefährlicher Ort"

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147 weibliche Todesopfer im Jahr 2017: Bundesfrauenministerin Giffey legt Zahlen zu partnerschaftlicher Gewalt vor.

Von Verena Mayer, Henrike Roßbach, Berlin

Häufiger als jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. 147 Fälle von Mord, Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge gab es 2017, hinzu kamen Misshandlungen, Stalking, Vergewaltigungen oder Nötigung - fast 139 000 Fälle von Gewalt in einer Partnerschaft wurden gemeldet. In mehr als 80 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen. "Für viele Frauen ist das Zuhause ein gefährlicher Ort", sagte Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag in Berlin, wo sie die Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) zu partnerschaftlicher Gewalt vorstellte.

"Häusliche Gewalt geht durch alle ethnischen Gruppen und sozialen Schichten", sagte Giffey. Den BKA-Zahlen nach waren 2017 etwa zwei Drittel der Tatverdächtigen Deutsche. In fast jedem vierten Fall war Alkohol im Spiel. Justizministerin Katarina Barley (SPD) betonte, die Zahlen spiegelten nur die angezeigten Taten wider. "Das Dunkelfeld ist groß." Frauen müssten ermutigt werden, Taten anzuzeigen. Giffey sagte, nur jedes fünfte Opfer suche Hilfe. Sie forderte mehr Geld für Frauenhäuser, bislang könnten etwa 30 000 Frauen im Jahr betreut werden. "Das reicht nicht." Mittelfristig müsse es einen Rechtsanspruch auf diese Art Hilfe geben. Erst einmal aber sollen 2020 etwa 35 Millionen Euro in ein Aktionsprogramm zur Unterstützung von Ländern und Kommunen beim Ausbau von Hilfsstrukturen fließen.

Expertinnen wie Saskia Etzold fordern seit Langem einen Ausbau der Frauenhäuser. Etzold ist Oberärztin und stellvertretende ärztliche Leiterin der Gewaltschutzambulanz der Berliner Charité, einer Einrichtung, an die sich Opfer von Gewalttaten wenden können. Ein Großteil ihrer Patientinnen sind Frauen, die von ihren Partnern misshandelt wurden. Es gebe zu wenige Plätze in Frauenhäusern, sagt Etzold, und die, die frei sind, seien oft weit von den Familien entfernt oder für Mütter mit älteren Söhnen ungeeignet. Zudem gebe es keine zentrale Vergabestelle für die Plätze. Zwar habe sich einiges verbessert durch die gesetzliche Möglichkeit, Gewalttätern bis zu 14 Tage den Zutritt zur eigenen Wohnung zu verwehren. Doch bei fehlenden Strukturen helfe das wenig. "Man kann Kreisläufe der Gewalt nicht unterbrechen, wenn es keine Zufluchtsorte gibt."

Für Etzold liegt es in der Natur der Delikte, dass sie schwer zu bekämpfen sind. Fälle häuslicher Gewalt seien "soziale Nahtaten" und für die Opfer mit Scham verbunden, weshalb sie oft nicht angezeigt werden. Dazu komme, dass Polizei und Justiz bei häuslicher Gewalt seltener eine Tötungsabsicht unterstellen als bei Übergriffen durch Fremde. Dabei habe jede vierte misshandelte Frau, die ihr vorgestellt werde, Würgemale am Hals. "Ein Zeichen, dass potenziell Lebensgefahr bestanden hat."

© SZ vom 21.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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