Streit um die Krim:Ukraine versetzt Militär in Alarmbereitschaft

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Bewaffnete patroullieren vor dem Regionalparlament in Simferopol, der Hauptstadt der autonomen Republik Krim. (Foto: REUTERS)

+++ Bewohner der Krim sollen schon in vier Wochen über Autonomie abstimmen +++ Ukrainische Soldaten in Alarmbereitschaft +++ Regierung der Krim bittet Putin um Hilfe +++ US-Präsident Obama warnt Russland vor militärischer Intervention +++

Die Lage auf der Halbinsel Krim spitzt sich zu. Die Ukraine verlangt von Moskau, die Soldaten abzuziehen und versetzt die eigenen Streitkräfte in Alarmbereitschaft. US-Präsident Obama warnt Putin vor einem militärischen Eingreifen. Der neu gewählte Regierungschef der autonomen Teilrepublik Krim aber ruft den Kremlchef um Hilfe an.

Spannungen zwischen der Ukraine und Russland nehmen zu: Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk fordert Russland zum Rückzug auf. "Die unangemessene Präsenz russischer Soldaten auf der Krim ist eine Provokation", sagt er. Moskau soll nach Angaben der Regierung in Kiew mittlerweile 6000 Soldaten geschickt haben. Ukraines Regierungschef Arseni Jazenjuk verlangt von Russland, "die Streitkräfte zurückzuziehen und in den vorgesehenen Stützpunkten unterzubringen". Die Versuche Moskaus, Kiew zu einer gewaltsamen Reaktion zu drängen, seien aber gescheitert, sagt Jazenjuk. Die ukrainische Regierung schließe eine militärische Reaktion auf die Entsendung russischer Soldaten auf die Halbinsel Krim aus. Dem Verteidigungsministerium zufolge hat die Ukraine ihre Streitkräfte dort dennoch in Alarmbereitschaft versetzt.

Volksabstimmung über Autonomie schon in vier Wochen: Das Referendum über den Status der Krim wird vorgezogen, teilt die Regionalregierung mit. Die Bewohner sollen nun am 30. März über die Souveränität der Halbinsel abstimmen. Bisher war der 25. Mai als Termin angesetzt.

Krim bittet Putin um Hilfe: Der neugewählte Regierungschef der Krim ruft nach Unterstützung durch Russland. "Aus Verantwortung für das Leben und die Sicherheit der Bürger bitte ich den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe bei der Sicherung von Frieden und Ruhe auf dem Gebiet der Krim", sagt Sergej Axjonow in einer im russischen Fernsehen ausgestrahlten Botschaft. Moskau lasse ein entsprechendes Ersuchen nicht unbeantwortet, sagt ein Kreml-Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Interfax. Der Krim-Regierungschef erklärte zudem, die Befehlsgewalt übernommen zu haben. Die Truppen des Innenministeriums und des Geheimdienstes, die Flotte, der Zivilschutz und andere Dienste hätten nun seinem Kommando zu folgen.

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Kaum ist Präsident Janukowitsch abgesetzt, beginnt in der Ukraine der Kampf um Macht und Einfluss. Es geht darum, wer das Land künftig regiert. Neben den Polit-Stars Timoschenko und Klitschko haben auch ein Schoko-Milliardär und zwei Nationalisten große Ambitionen.

Von Matthias Kolb

Gazprom will Geld von der Ukraine: Der russische Energiekonzern Gazprom erhöht den Druck auf die Regierung in Kiew. Wegen ausstehender Schulden könnte die Ukraine den Rabatt auf Erdgaslieferungen gestrichen bekommen. Der Staatskonzern fordert, dass das vom Bankrott bedrohte Land offene Rechnungen in Höhe von 1,55 Milliarden Dollar (1,12 Milliarden Euro) sofort bezahlt. Falls die Ukraine ihren Verpflichtungen nicht nachkomme, könne Moskau nicht länger einen Rabatt auf die Gaslieferungen anbieten, sagt ein Unternehmenssprecher der Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Obama warnt Putin: US-Präsident Barack Obama hat Russland mit scharfen Worten vor einem militärischen Eingreifen in der Ukraine gewarnt. Die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine hätte einen "Preis", sagt Obama. Die Vereinigten Staaten seien "zutiefst besorgt" über die Berichte einer Entsendung russischer Truppen auf die Halbinsel Krim. Jede Intervention wäre "zutiefst destabilisierend", erklärt Obama. Ein US-Vertreter sagt der Nachrichtenagentur Reuters, die USA und die europäischen Staaten könnten im Falle einer russischen Intervention dem G-8-Gipfel im Sommer in Sotschi fernbleiben. Das polnische Außenministerium warnt ebenfalls davor, die territoriale Einheit der Ukraine anzutasten. Entscheidungen, auch militärischer Art, könnten nicht wieder gutzumachende Folgen für die internationale Ordnung haben.

Russland wehrt sich gegen Vorwürfe: Der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen weist die ukrainischen Vorwürfe einer Militärintervention auf der Halbinsel Krim zurück. "Wir haben einen Vertrag mit der Ukraine über die Präsenz der russischen Schwarzmeerflotte. Und wir handeln im Rahmen dieser Vereinbarung", sagt Witali Tschurkin. Einzelheiten zu dem Vorgehen der russischen Soldaten nannte er nicht.

Bemühung um Auslieferung Janukowitschs: Die Ukraine setzt sich nach Angaben des Generalstaatsanwaltes für eine Auslieferung des vor einer Woche gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch ein. Nach ihm wird wegen der Zusammenstöße in der vergangenen Woche gefahndet, bei denen etwa 100 Menschen ums Leben kamen. Der Ex-Staatschef befindet sich in Russland, wo er in Rostow am Don eine Pressekonferenz gibt. Janukowitsch gibt sich kämpferisch. Er fordert Moskau auf, endlich aktiv zu werden: "Russland solle alle Möglichkeiten nutzen, um Chaos und Terror zu unterbinden, die es heute gibt in der Ukraine". Allerdings spricht er sich gegen eine Militärintervention aus. Janukowitsch will sich offenbar nicht geschlagen geben: Er verlangt ein gesamtnationales Referendum und sagt, dass er seine Absetzung für unrechtmäßig halte. Nach seiner Ansicht besteht die Übergangsregierung aus "Nationalisten und Faschisten". Eine kleine Minderheit des Volks habe nun die Macht übernommen. Die vom Parlament angesetzte Wahl am 25. Mai bezeichnete er als unrechtmäßig, er werde nicht antreten.

Linktipps:

  • Warum sowohl die Ukraine als auch Russland Anspruch auf die Krim erheben, erklärt Markus Schulte von Drach.
  • Tim Neshitov schreibt über die ethnischen Gruppen auf der Krim.
  • Stefan Kornelius kommentiert, warum Moskau weniger reflexartig auf die Entwicklungen in der Ukraine reagieren sollte.
  • Die Entwicklungen vom Donnerstag können Sie hier nachlesen.
© Reuters/dpa/AFP/gal/odg/mest - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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