Streit über Griechenland-Lösung:Die einsame Entscheidung der Frau Merkel

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Vorwürfe von allen Seiten: Im Streit um die richtige Lösung in der Griechenland-Krise hat Bundesaußenminster Westerwelle Euro-Gruppen-Chef Juncker kritisiert. Der Umgang der Bundesregierung mit der Schuldenkrise stößt indes in den Koalitionsparteien ebenso wie bei der Opposition auf Ablehnung.

Im Streit um die richtige Lösung in der Griechenland-Krise hat Bundesaußenminster Guido Westerwelle (FDP) indirekt Kritik an Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker geübt. "Ich warne davor, ein Land nach dem anderen ins Gerede zu bringen", sagte Westerwelle der dpa bei einem Besuch in Bordeaux. "Das Vertrauen der Märkte wächst nicht, wenn wichtige europäische Persönlichkeiten Zweifel an der Kreditwürdigkeit säen."

Griechen demonstrieren in Ahten gegen die Sparpläne der Regierung. (Foto: dpa)

Der luxemburgische Premierminister hatte zuvor erklärt, eine Bankenbeteiligung an weiteren Finanzhilfen könnte dazu führen, dass die Ratingagenturen Griechenland als zahlungsunfähig einstufen. "Die Pleite kann Portugal anstecken und Irland und dann wegen der hohen Schulden auch Belgien und Italien, noch vor Spanien", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Freitag mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vereinbart, mit der Europäischen Zentralbank (EZB) über eine freiwillige Beteiligung der privaten Gläubiger zu sprechen.

Der Umgang der Bundesregierung mit der griechischen Schuldenkrise stößt unterdessen in den Koalitionsparteien ebenso wie bei der Opposition auf Ablehnung. Die FDP kritisierte die deutsch-französische Verabredung, private Gläubiger nur auf freiwilliger Basis an der Bewältigung der Schuldenkrise zu beteiligen. Die SPD nannte die Übereinkunft "lächerlich". Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold beklagte, dass die Finanzwirtschaft die Politik vor sich her treibe.

Der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses und FDP-Fraktionsvize Volker Wissing sagte am Samstag im Deutschlandfunk, es könne nicht sein, dass die Finanzwirtschaft nur darauf setze, dass der Steuerzahler die Probleme löse. Die FDP fordere konsequent die Beteiligung privater Gläubiger. "Griechenland kann nur geholfen werden, wenn es tatsächlich einen harten Schuldenschnitt gibt und die Wirtschaft wettbewerbsfähig wird", sagte der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler der Frankfurter Rundschau. Eine freiwillige Beteiligung der Privaten etwa durch eine Verlängerung der Laufzeiten von Anleihen helfe Griechenland nicht. Man müsse sich schon fragen, warum sich in derart wichtigen Fragen Frankreich durchsetze und nicht Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa.

Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach (CDU), sagte: "Die Koalition hat vereinbart, Finanzhilfen für Griechenland nur zuzustimmen, wenn eine angemessene Beteiligung privater Gläubiger eingeleitet wird. Daran halten wir fest." Er fügte aber auch hinzu: "Die Beteiligung privater Gläubiger darf nur nicht so weit gehen, dass hierdurch eine viel schwerere Krise für die Eurozone ausgelöst wird."

Die Opposition reagierte empört. "Eine freiwillige Beteiligung der Banken ist lächerlich", sagte SPD-Finanzexperte Carsten Schneider. Der Verfall des deutschen Einflusses in Europa sei atemberaubend und beängstigend zugleich. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Giegold, nannte die Diskussion um die private Gläubigerbeteiligung "absurd". Er kritisierte im Deutschlandradio Kultur, die Banken hätten ihr zu Beginn der Griechenlandkrise gegebenes Versprechen gebrochen, ihr Engagement nicht zurückzufahren. "Wir haben also große Probleme, überhaupt verbindliche Absprachen noch zu treffen, und das zeigt auch, dass Politik mit diesen freiwilligen Absprachen aufhören sollte, sondern man wieder den Anspruch erheben muss, Regeln zu setzen, die man auch durchsetzt."

Die SPD hält wegen des Streits um die Griechenland-Hilfe ein Scheitern der schwarz-gelben Koalition für möglich. Falls die Regierung keine eigene Mehrheit für das Hilfspaket habe, seien Neuwahlen die einzige Antwort, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann nach einer "Spiegel-Online"-Meldung. "Die Gefahr, dass Merkel scheitert, wird immer konkreter. Sie steht kurz vor ihrer größten Krise."

Bundeskanzlerin Merkel pocht indes auf ein weiteres Hilfspaket für Griechenland mit einer substanziellen Beteiligung der Privatgläubiger. Zugleich bestritt sie auf einer CDU-Kreisvorsitzendenkonferenz in Berlin Differenzen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble in der Debatte um das Griechenland-Hilfspaket. "Natürlich werden wir versuchen, einen substanziellen Betrag der privaten Gläubiger zusammenzubekommen", betonte Merkel.

Als Teil des nötigen neuen Griechenland-Hilfspakets sei dies wichtig. Wenn die Inhaber von griechischen Staatsanleihen, die in ein oder zwei Jahren fällig werden, sich zum Beispiel bereit erklären würden, die Anleihen weitere fünf Jahre zu halten, senke dies den Refinanzierungsbedarf des Landes erheblich, sagte Merkel. Die Gespräche mit Banken würden aber nicht auf Pressekonferenzen oder auf der Straße geführt, betonte sie in Anspielung auf die gemeinsame Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Freitag.

Weil sie dabei vor allem das Prinzip der Freiwilligkeit betont hatte, wurde dies als Abrücken von Forderungen des Finanzministers interpretiert. "Es gibt keinen Unterschied zwischen Finanzminister Schäuble und mir", betonte die Kanzlerin nun, die nach der Veranstaltung mit Schäuble telefonierte. Zugleich pochte Merkel aber erneut auf das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Gläubigerbeteiligung. Das wichtigste sei, dass die Regierungen der Eurozonen-Länder die Kontrolle über die Prozesse behielten. Es dürfe keine Situation entstehen, in der Griechenland als zahlungsunfähig eingestuft werde. "Der Punkt ist, dass wir die Insolvenz eines Staates jetzt noch nicht beherrschen können", begründete die Kanzlerin ihre Haltung.

Dies könne erst der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM ermöglichen, der ab Mitte 2013 in Kraft treten soll. Merkel sagte weiter, weder wisse man heute, wer griechische Staatsanleihen halte, noch wer die darauf aufbauenden Versicherungen (CDS) besitze. Diese Transparenz werde es erst in der Zukunft geben. Ausdrücklich warnte sie, dass in der Folge unüberlegter Schritte auch andere Euro-Staaten betroffen werden könnten, wenn deren Banken bei einer Abschreibung griechischer Staatsanleihen Hilfe bräuchten. "Dann haben wir plötzlich lauter (Euro)-Länder unter dem Rettungsschirm", warnte sie.

Dies würde den Rettungsschirm überfordern. In Anspielung auf die Finanzkrise nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers fügte Merkel hinzu: "Ich möchte nicht, dass von Europa wieder eine solche Gefahr ausgeht. Merkel lobte die Anstrengungen der griechischen Regierung. Diese sei auf dem richtigen Weg. Die Privatisierung und die Öffnung der starren Regeln für einzelnen Berufsgruppen in Griechenland bräuchten Zeit. Deshalb sei das neue Hilfspaket auch nötig. Die Regierung in Athen dürfe nicht durch eine Umschuldungsdebatte entmutigt werden.

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