Straßburg:Zu früh gezogen

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Der spanische Sozialdemokrat Juan Fernando López Aguilar hat einen Vorschlag für ein humanitäres Visum ins Straßburger Parlament eingebracht. Am Dienstag wird neu darüber abgestimmt. (Foto: dpa)

Von dieser Entscheidung könnten Menschenleben abhängen: Das Europäische Parlament stimmt am Dienstag erneut über einen Antrag auf Einführung humanitärer Visa ab - zum zweiten Mal. Bei der ersten Runde war etwas schiefgegangen.

Von Karoline Meta Beisel, Straßburg

Im Europaparlament wird gerne und oft gestritten - in dieser Woche zum Beispiel über einen Handelsvertrag mit Japan, über den Brexit oder die Einführung einer Digitalsteuer. Praktisch nie jedoch gibt es Streit über den Abstimmungsvorgang an sich, warum auch? Wenn eine Abstimmung per Handzeichen kein leicht zu erfassendes Ergebnis ergibt, stimmen die Parlamentarier elektronisch ab, das Ergebnis erscheint dann im Plenarsaal sofort auf einem Bildschirm.

Bei der letzten Plenarwoche in Straßburg ist dabei aber offenbar etwas schiefgegangen, darum müssen die Abgeordneten an diesem Dienstag noch einmal abstimmen. Von ihrer Entscheidung könnten einige Menschenleben abhängen. Es geht um sogenannte humanitäre Visa, also Kurzzeit-papiere, mit denen Flüchtlinge in die EU einreisen können, um dann vor Ort um Asyl zu bitten. Bislang gibt es für potenzielle Asylsuchende kaum einen legalen Weg, in die EU einzureisen. Darum vertrauen die einen ihr Leben Schlepperbanden an, andere verlieren ihres im Mittelmeer.

Der spanische Sozialdemokrat Juan Fernando López Aguilar will das ändern und hat darum einen Vorschlag für ein europäisches humanitäres Visum ins Parlament eingebracht. Auf den Weg bringen könnte so ein neues Gesetz nur die Europäische Kommission. Aber die Abgeordneten können die Kommission immerhin dazu auffordern, das zu tun - wenn sie für die Idee eine absolute Mehrheit aller Parlamentarier zusammenbekommen. Genau das wurde bei der Abstimmung im November abgefragt. Das Ergebnis war knapp: 349 Abgeordnete stimmten für den Antrag - für eine absolute Mehrheit der 751 Mitglieder des Parlaments hätte López Aguilar 376 gebraucht. Aber schon wenige Augenblicke nach der Bekanntgabe des Ergebnisses regte sich in den Bänken des Parlaments Widerstand gegen das Ergebnis der Abstimmung: Einige Abgeordnete hätten ihre Stimmkarten zu früh aus den Schlitzen auf ihrem Tisch gezogen, über die jede Stimmabgabe elektronisch erfasst wird. Wenn die Karte nicht bis zum Ende der Abstimmung steckt, wird die Stimme nicht erfasst, weder als Für- noch als Gegenstimme.

Bei einer anderen Abstimmung wenige Sekunden zuvor hätten sich noch 60 Abgeordnete mehr beteiligt, warum hätten die bei der darauffolgenden Abstimmung nicht mehr mitmachen sollen, zumal bei einer, für die es eine absolute Mehrheit braucht?

Das fragten sich Befürworter des Antrags.

Spontan ließ sich Parlamentspräsident Antonio Tajani nicht überzeugen, im Nachhinein aber bekam López Aguilar recht - nun wird am Dienstagnachmittag erneut abgestimmt. Das heißt zwar nicht, dass es deswegen eine Mehrheit für den Vorschlag geben muss. López Aguilar aber ist hoffnungsvoll: "Vielleicht waren unter jenen 60, die bei unserer Abstimmung nicht mehr dabei waren, noch 27, die für unseren Vorschlag sind."

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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