Straßburg:Sacharow-Preis geht an irakische Jesidinnen

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Nadia Murad konnte dem IS entkommen - und setzt sich für die Frauen und Kinder ein, die immer noch in der Gewalt der islamistischen Terrormiliz sind. (Foto: dpa)
  • Die beiden Frauen wurden wegen ihrer Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der Jesiden vom IS verfolgt und versklavt.
  • Der nach dem verstorbenen sowjetischen Dissidenten Sacharow benannte Preis wird vom Europaparlament seit 1988 verliehen.
  • Mit den Jesidinnen waren außerdem der Vertreter der Krimtataren, Mustafa Dschemiljew, und der türkische Journalist Can Dündar nominiert.

Der Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit des Europäischen Parlaments geht dieses Jahr an die irakischen Menschenrechtsaktivistinnen Nadia Murad und Lamia Hadschi Baschar. Die beiden Frauen wurden in ihrer Heimat wegen ihrer Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der Jesiden von der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) verfolgt und versklavt.

Sie konnten entkommen und setzen sich seither für ihr Volk ein. Heute wohnen die beiden 23-Jährigen in Baden-Württemberg. Sie fanden im Südwesten Zuflucht mit Hilfe eines Sonderprogramms der Landesregierung.

Das Heimatdorf der beiden Jesidinnen war im August 2014 von der IS-Terrormiliz überfallen worden. Die Männer des Dorfes wurden getötet, auch viele der älteren Frauen. Der IS tötete sechs Brüder und die Mutter von Murad. Die sechs Schwestern von Hadschi Baschar wurden wie sie versklavt.

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Nadia Murad musste Unvorstellbares erleiden, als der IS im Irak die Jesiden heimsuchte. Nun wird sie Sondergesandte der UN. Bevor sie ihr eigenes Trauma aufarbeitet, will sie sich erst um ihr Volk und ihre Familie kümmern.

Von Josef Kelnberger

Murad gelang es, nach drei Monaten dem IS zu entfliehen. Auch ihre Schwester floh nach Deutschland. Hadschi Baschar entkam im Frühjahr 2016. Sie ist in der Öffentlichkeit weniger bekannt als Murad, die um die Welt reist, um auf das Leid der noch immer etwa 3200 jesidischen Frauen und Kinder in den Fängen der islamistischen Fanatiker aufmerksam zu machen.

Murad wurde im September auch zur UN-Sonderbotschafterin für Opfer des Menschenhandels ernannt worden. An ihrer Seite ist oft auch Anwältin Amal Clooney zu sehen, die Ehefrau von Hollywoodstar George Clooney. Die Juristin will die Peiniger der Jesidinnen vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. Zudem würdigte der Europarat Murad bereits mit dem Menschenrechtspreis.

Wer noch nominiert war

Der nach dem verstorbenen sowjetischen Dissidenten und Physiker Andrej Sacharow benannte und mit 50 000 Euro dotierte Preis wird vom Europaparlament seit 1988 an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen. Im vergangenen Jahr hatte der zu Haft und Peitschenhieben verurteilte saudiarabische Blogger Raif Badawi die Auszeichnung erhalten.

Mit den Jesidinnen waren außerdem der Vertreter der Krimtataren, Mustafa Dschemiljew, und der türkische Journalist Can Dündar nominiert.

Dündar ist einer der bekanntesten Journalisten in der Türkei und ehemaliger Chefredakteur der Cumhuriyet. Er wurde nach der Veröffentlichung eines Artikels über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Syrien zu fünf Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Dündars Verteidiger hatte Berufung angekündigt, Dündar bleibt bis dahin auf freiem Fuß. Er lebt inzwischen in Deutschland.

Krimtataren-Vertreter Dschemiljew wurde als Kind gemeinsam mit seiner Familie von der Krim nach Zentralasien deportiert und konnte erst 45 Jahre später in seine Heimat zurückkehren. Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland wurde ein Einreiseverbot gegen den Aktivisten verhängt.

© SZ.de/AFP/dpa/dayk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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