Steuerhinterziehung:Preiserhöhung in der Waschanlage

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Die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung wird teurer - man sollte sie ganz abschaffen.

Heribert Prantl

Steuerhinterziehung, so geht ein alter Juristenwitz, sei der Versuch des Steuerzahlers, die vom Staat versprochene Steuergerechtigkeit auf privater Basis zu realisieren. Kalauer solcher Art demonstrieren ein lockeres Verhältnis zur Steuerkriminalität: Man weiß zwar allgemein, dass das Steuerstrafrecht zum Strafrecht gehört, nimmt es aber trotzdem nicht so ganz ernst.

Steuerhinterziehung ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. (Foto: ag.ddp)

Der Gesetzgeber ist an diesem lässigen Bewusstsein nicht unschuldig. Er behandelt den Steuerhinterzieher als einen besonderen, privilegierten, ja als einen irgendwie guten Straftäter. Für den Steuerhinterzieher gibt es die Möglichkeit, mit einer Selbstanzeige der Bestrafung komplett zu entgehen; das ist ein Privileg, das es für keinen anderen Kriminellen gibt. Die Steuerstraftat ist also eine abwaschbare Straftat. Das Verfahren funktioniert denn auch so ähnlich wie bei der Autowaschanlage an der Tankstelle: Man geht an die Kasse, zahlt den geforderten Betrag, und sodann wird aller Dreck weggeputzt; man verlässt die Waschanstalt Finanzamt sauber, frisch poliert und strahlend unschuldig.

Künftig werden das Waschprogramm und das Shampoo teurer als bisher. Der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung die Preise erhöht: Es reicht nun nicht mehr, dass sich der Steuerhinterzieher nur ein bisschen anzeigt, es reicht nicht mehr, dass er nur diejenigen Falschangaben korrigiert, deren Entdeckung er ohnehin befürchtet. Es reicht nicht mehr, wenn er die Zinseinkünfte für ein Schweizer Konto nachversteuert, aber die vier anderen Schwarzgeldkonten in Österreich und Liechtenstein verschweigt. Es reicht nicht mehr, wenn er dem Finanzamt den kleinen Finger gibt; es muss künftig schon die ganze Hand sein. Der Steuerhinterzieher muss also künftig eine Art steuerrechtlichen Offenbarungseid ablegen, wenn er in den Genuss der Strafbefreiung kommen will. Und dann muss er natürlich auch liquide sein - und die gesamten Steuern samt Hinterziehungszinsen in der gesetzten Frist nachzahlen. Soll man Mitleid haben? Der Steuerhinterzieher ist auch mit den neuen Tarifen noch besser dran als jeder andere Straftäter.

In der Praxis wird die Preiserhöhung freilich nicht ganz leicht zu realisieren sein. Woher soll das Finanzamt wissen, dass der Steuerkriminelle nun alles, aber auch wirklich alles offenbart hat? Soll das Steuerstrafverfahren künftig nur noch unter dem Vorbehalt eingestellt werden, dass die ganze und reine Steuerwahrheit auf dem Tisch liegt? Und soll das Strafverfahren dann gegebenenfalls wieder aufgenommen werden? Diese Schwierigkeiten sind ein neues Indiz dafür, wie unbefriedigend das systemwidrige System der strafbefreienden Selbstanzeige ist. Solange es diese Möglichkeit noch gibt, werden die Steuerstraftaten nicht als wirklich kriminelle Straftaten gelten, sondern als eine Art Notwehr gegegen den Fiskus. Das heißt: Der Schaden, den dieses Privileg anrichtet, ist größer als sein finanzieller Nutzen.

© SZ vom 29.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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