Berlin:Gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe im Bundestag gescheitert

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Renate Künast (Grüne) spricht im Bundestag über das Thema Sterbehilfe. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Abgeordneten debattierten über zwei Vorschläge - einen liberalen und einen strikten. Für keinen der beiden Entwürfe findet sich eine Mehrheit.

Die Hilfe bei der Selbsttötung wird in Deutschland weiterhin nicht gesetzlich geregelt. Im Bundestag scheiterten am Donnerstag zwei Entwürfe, die Sterbehilfe rechtssicher ermöglichen und legale Suizidassistenz zugleich aber auch an Bedingungen knüpfen sollten.

Der Vorschlag für eine striktere Regelung verfehlte eine Mehrheit mit 363 Nein-Stimmen (304 Ja-Stimmen, 23 Enthaltungen). Der Entwurf kam von einer Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU). Der Vorschlag sah vor, Voraussetzungen im Strafgesetzbuch zu regeln. Auch für den liberalen Entwurf einer zweiten Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) fand sich keine Mehrheit - es gab 375 Nein-Stimmen (287 Ja-Stimmen, 20 Enthaltungen). Der Vorschlag zielte darauf ab, Ärzten das Verschreiben von Medikamenten unter bestimmten Voraussetzungen außerhalb des Strafrechts zu ermöglichen.

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Der Fraktionszwang war bei den Abstimmungen aufgehoben, die Abgeordneten trafen also eine Gewissensentscheidung. Nach dem Scheitern sprach sich Castellucci für einen neuen Versuch für eine gesetzliche Regelung noch in dieser Wahlperiode aus. "Es muss unbedingt bald einen neuen Anlauf geben", sagte er. Es brauche Rechtssicherheit, Klarheit und Schutz für alle Beteiligten.

Hintergrund der Initiativen im Bundestag war ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte - weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletze. "Geschäftsmäßig" hat dabei nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Das Urteil stieß eine Tür für organisierte Angebote auf - aber ausdrücklich mit der Möglichkeit zur Regulierung. Diese Möglichkeit nutzte das Parlament nun nicht.

Beide Vorstöße sollten Bedingungen und Voraussetzungen zu Fristen und Beratungspflichten festlegen, um eine Suizidhilfe für Volljährige zu regeln. Der Vorschlag der Gruppe Castellucci/Heveling sah dazu eine Neuregelung im Strafgesetzbuch vor. Dort sollte es heißen: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung einer anderen Person zu fördern, dieser hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Geregelt werden sollten aber auch Ausnahmen.

Der Vorschlag der Gruppe Künast/Helling-Plahr sah eine Regelung ausdrücklich außerhalb des Strafgesetzbuches vor. Kommen sollte ein "Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung". Für den Vorstoß hatten sich zwei Gruppen zusammengetan. Im Entwurf hieß es: "Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen." Ärzte dürften Volljährigen dann Arzneimittel dafür verschreiben.

Kritik von Experten

Bei Experten erntete sowohl der Vorschlag von Castellucci/Heveling als auch der von Künast/Helling-Plahr vorab viel Kritik. Die Stiftung Patientenschutz rief die Abgeordneten vor der Debatte im Bundestag dazu auf, bei beiden Entwürfen mit einem Nein zu stimmen. "Die Gesetzentwürfe legitimieren unbeabsichtigt die Sterbehelfer-Praktiken in Deutschland", sagte der Stiftungsvorstand Eugen Brysch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Heiner Melching, sagte den Funke-Zeitungen, es sei nicht klug, junge Menschen in einer depressiven Phase und todkranke Alte denselben Regelungen zu unterwerfen.

Da nun keiner der beiden Entwürfe angenommen wurde, bleibt es vorerst bei einem ungeregelten Zustand. Derzeit ist Ärztinnen und Ärzten eine "Tötung auf Verlangen" auch auf ausdrücklichen und ernstlichen Wunsch hin verboten, wie es in einer grundsätzlichen Erläuterung der Bundesärztekammer heißt. Indes könnten in bestimmten Situationen "Behandlungsbegrenzungen" geboten sein. So solle ein "offensichtlicher Sterbevorgang" nicht durch Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Zudem dürfe ein Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer Behandlung ermöglicht werden, wenn dies dem Patientenwillen entspreche.

Derweil forderte der Bundestag die Bundesregierung zu mehr Engagement bei der Suizidprävention auf. Mit einer großen Mehrheit verabschiedete das Parlament einen Antrag, der sich für ein Suizidpräventionsgesetz ausspricht. Die Regierung soll dafür bis Ende Juni 2024 einen Entwurf vorlegen. Konkret fordert der Antrag unter anderem einen deutschlandweiten Dienst, der rund um die Uhr für Menschen mit Suizidgedanken oder deren Angehörige online und telefonisch erreichbar ist. Hilfen für Menschen mit Suizidgedanken und deren Angehörige seien oft nicht ausreichend verfügbar, heißt es im Antrag. Betroffene hätten zudem Angst vor Stigmatisierung. Bestehende Angebote und Forschung in diesem Bereich sollen deshalb nach dem Willen der Abgeordneten verbessert und ausgeweitet werden.

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