Staaten im Umbruch:Ein Turkmene ist kein Clown

Tunesien, Ägypten, Libyen ... Wer tritt eigentlich die Nachfolge der lupenreinen Diktaturen an? In Zentralasien sitzen die Herrscher noch fest im Sattel. Aber kein Regime ist so exzentrisch, so hermetisch, so rätselhaft wie Turkmenistan. Ein Besuch.

Sonja Zekri

Tunesiens verhasster Herrscher floh nach einem Monat, Ägyptens Pharao nach 18 Tagen. In Bahrain erzwangen die Protestierenden die Freilassung schiitischer Op-positioneller. Im Jemen, dem jüngsten, ärmsten Land des Nahen Ostens, will der Präsident bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten, auch nicht sein Sohn. In Algerien, Marokko, ein bisschen sogar in Saudi-Arabien versprechen die Herrscher Wohltaten und politische Mitsprache, um die aufgebrachten Untertanen zu besänftigen. Nur in Libyen hat Muammar al-Gaddafi seinem Volk den Krieg erklärt. Doch ob Arabiens Potentaten mit Kompromissen oder mit Granaten kämpfen - sie sind in der Defensive.

Staaten im Umbruch: Mittlerweile wurde sie abmontiert: die goldene Statue des ehemaligen Präsidenten Saparmurat Nijazow in Aschgabad.

Mittlerweile wurde sie abmontiert: die goldene Statue des ehemaligen Präsidenten Saparmurat Nijazow in Aschgabad.

(Foto: AP)

Die Zahl der lupenreinen Diktaturen hat in den vergangenen Wochen deutlich abgenommen. Eine Welle der Wut schwappt vom Maghreb bis an den Persischen Golf und ist damit an den Grenzen einer Region angekommen, deren Demokratiedefizite sprichwörtlich sind: Mittelasien. Usbekistans Präsident Islam Karimow hat Jahre vor Gaddafis Blutbad Hunderte Demonstranten in Andijan massakrieren lassen. Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew bereitet sich nach mehr als zwanzig Jahren im Amt soeben auf eine sichere Wiederwahl vor. Wie einst in Tunesien geben sich die Endlosherrscher in Taschkent oder Duschanbe als Bollwerk gegen religiösen Fanatismus und islamistischen Terror. Wie früher in Kairo ist ihr Mantra das Versprechen auf Stabilität.

Als abschreckendes Beispiel für Demokratieexperimente in der Region gilt Kirgistan: zwei Umstürze in fünf Jahren, Pogrome, Armut, ein ohnmächtiger Staat. Wie in Tripolis ist Gewalt oft das Instrument politischer Auseinandersetzung. Und: Es sind islamische Gesellschaften, nach 70 Jahren sowjetischem Zwangsatheismus oft glühend gläubig.

Idealerweise würde der Westen also über Menschenrechte und Zukunftschancen reden, doch so wie er Gaddafis Beduinenzelt in seinen Parks geduldet hat, so duldet er Karimow in Brüssel. Zentralasien ist ein Rohstoffparadies und geopolitisch bedeutend. Die Amerikaner führen ihre Truppen nach Afghanistan durch Kirgistan - die Bundeswehr schickt ihre Soldaten durch Usbekistan. Und noch haben sich die Völker Zentralasiens nicht erhoben, auch wenn ihre Führer nervös auf die aufrührerischen Massen im Süden blicken. Noch sind Zentralasiens Gebirge und Wüsten ideale Kulissen für pompöse Machtinszenierungen auf Kosten darbender Völker. Aber kein Regime ist so exzentrisch, so hermetisch, so rätselhaft wie Turkmenistan.

Fahren wir also hin.

Der berühmteste Turkmenbaschi ist inzwischen abgeschraubt. Die Goldstatue auf dem Neutralitätsbogen, die sich jahrelang mit dem Lauf der Sonne drehte, ist weg. Im Herzen von Aschgabad ragen noch die nackten Betonfüße in den Himmel. Der Turkmenbaschi, "Vater aller Turkmenen", der Strahlende und Unvergleichliche, der erste Präsident Turkmenistans und Prophet Gottes auf Erden - abmontiert und eingelagert zur ungewissen Verwendung. Ein Hammer.

Jahrelang hatte sich das Land nach Saparmurat Nijasow, dem Turkmenbaschi, ausgerichtet, wie dessen Ebenbild nach der Sonne, auch wenn den Launen des Herrschers nicht leicht zu folgen war. Als Nijasow die Monatsnamen umbenannte, nach der turkmenischen Unabhängigkeit (Oktober), nach seiner Mutter (April) oder sich selbst (Januar), konnte man das noch als Spielerei abtun. Aber als er Renten strich und auf dem Land die Krankenhäuser schloss, wurde es ernster. Sorgenvoll hatten seine Minister montags das Kabinett betreten, wo ihnen ein paar Stunden blieben, um Nijasow die Ideen vom Wochenende auszureden, bevor er sie zum Gesetz erhob. Unter Nijasows Führung entfernte sich Turkmenistan vom Rest der Welt, kaum jemand kam hinein, wenige kamen heraus.

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