Das Parlament in Sri Lanka hat am Mittwoch den geschäftsführenden Präsidenten Ranil Wickremesinghe zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Er habe die Stimmen von 134 der insgesamt 225 Abgeordneten erhalten, sagte der Parlamentsgeneralsekretär am Mittwoch in der Hauptstadt Colombo. Zwei Abgeordnete hätten sich enthalten, vier Stimmen seien ungültig gewesen. Der 73- Jährige tritt die Nachfolge von Gotabaya Rajapaksa an, der sich in der vergangenen Woche inmitten von Massenprotesten ins Ausland abgesetzt und seinen Rücktritt erklärt hatte.
Die Proteste gegen die Regierung dauern bereits seit etwa drei Monaten an. Dass das Land im Indischen Ozean nun zur Ruhe kommt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Zuletzt forderten einige, dass sich der 73 Jahre alte Ranil Wickremesinghe aus der Politik zurückzieht.
Wickremesinghe ist seit Jahrzehnten politisch aktiv, er war insgesamt sechs mal Premierminister; viele sehen ihn als einen Verbündeten des Ex-Präsidenten Rajapaksa. Dieser hatte sich vor einer Woche erst auf die Malediven, dann nach Singapur abgesetzt. Daraufhin war Wickremesinghe zum geschäftsführenden Präsidenten gemacht worden. Als er in dieser Funktion am Wochenende "im Interesse der öffentlichen Sicherheit" den Ausnahmezustand verhängte, löste das Empörung aus. Gegen seine Bestätigung durch das Parlament haben diverse Gruppen Proteste angekündigt.
Sri Lanka erlebt die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Regierung hat daher unter anderem den Internationalen Währungsfonds sowie Indien, China, Russland und andere Länder um Hilfe gebeten. Es mangelt an Treibstoff, Gas zum Kochen, Medikamenten und Lebensmitteln, dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren. Auch die hohe Inflation von fast 70 Prozent und stundenlange Stromausfälle sorgen für großen Unmut. Die Gründe für die Krise sind vielfältig - darunter Misswirtschaft und Korruption, aber auch die Folgen der Corona-Pandemie, die vor allem den wichtigen Tourismus-Sektor hart getroffen haben. Wegen der Krise protestieren seit Wochen viele Menschen gegen die politische Führung.