Sri Lanka:Glockengeläut und neue Gewalt

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Angehörige gedenken in Negombo der Anschlagsopfer. (Foto: Ishara S. Kodikara/AFP)

In Sri Lanka wird nach den Anschlägen weiter getrauert. Doch zur Ruhe kommt das Land nicht: Bei einer Razzia sterben 15 Menschen. Auch Kinder sind unter den Toten.

Von Arne Perras, Colombo/Singapur

Um 8.45 Uhr stoppen alle Gesänge zur Andacht an die Toten. Und es schlägt die Glocke von St. Anthony's, in der Altstadt von Colombo. Die Christen Sri Lankas, sie werden diese Uhrzeit nicht so schnell vergessen. 8.45 Uhr. In jener Minute waren die Zeiger der Turmuhr stehen geblieben, in jener Minute hatte sich drinnen im Kirchenschiff, während der Messe zum Ostersonntag, einer von acht Selbstmordattentätern in die Luft gesprengt.

Trauer auf Sri Lanka, eine Woche nach dem Terror. Die öffentlichen christlichen Gottesdienste sind aus Sicherheitsgründen abgesagt, vor der Kirche St. Anthony's gibt es nur eine schwer bewachte kleine Mahnwache. Der Erzbischof von Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, sieht sich gezwungen, am Morgen nur eine kleine, abgeschottete Messe in der Kapelle seiner Residenz zu zelebrieren, auch der Präsident Sri Lankas und der Premier sind geladen. Der Kardinal nennt die Attacken eine "Beleidigung der Humanität." In Gott spiegele sich die Liebe, sagt er. "Wie also kann jemand im Namen Gottes töten?"

Bei der islamistischen Anschlagsserie auf Sri Lanka, die Kirchen und Hotels traf, sind mehr als 250 Menschen gestorben. Am Wochenende jagten Sicherheitskräfte weiter mutmaßlichen Komplizen und Hintermännern nach. Das Auswärtige Amt riet von "nicht notwendigen Reisen" nach Sri Lanka ab und erklärte: "Es besteht grundsätzlich die Gefahr von weiteren Anschlägen."

Das Auswärtige Amt rät von Reisen nach Sri Lanka ab, sofern sie nicht notwendig sind

Erst am Freitagabend war die Gewalt erneut aufgeflammt, im Osten der Insel. Eine Razzia der Sicherheitskräfte ging blutig zu Ende. 15 Tote habe es gegeben, bestätigte das Militär in Sri Lanka, unter ihnen sechs Kinder. Im Distrikt Ampara, südlich von Batticaloa, war das Militär am Samstag auf ein Haus vorgerückt, nachdem Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen waren, dass sich dort womöglich Gewalttäter verschanzt hatten. Ein Feuergefecht begann, dann sprengten sich drei mutmaßliche Extremisten in die Luft.

Bei dem Schusswechsel sollen zwei Frauen verletzt worden sein, die angeblich zur Familie von Mohammed Zahran Hashim gehören, dem mutmaßlichen Anführer der Terroristen. Der Hassprediger galt als führendes Mitglied der Gruppe National Thoweeth Jamaath (NTJ) und soll bei der Attacke auf das Shangri-La-Hotel gestorben sein. Bei den festgenommenen Frauen handelt es sich angeblich um eine Tochter und um die Frau des Anführers.

Sri Lanka sucht derzeit 140 Menschen mit mutmaßlichen Verbindungen zur Gruppe "Islamischer Staat", die sich die Attacken zuschrieb. Ob sie alle in die Vorbereitungen der Attacken verwickelt gewesen sind, blieb zunächst unklar.

Die Menschen in Colombo versuchten unterdessen, in ihren Alltag zurückzufinden. Auf dem Markt im Viertel Malligawatte herrschte wenige Tage nach den Angriffen wieder größeres Gedränge. Hier leben überwiegend Muslime, doch zwischen den verschleierten Frauen, die Fisch und Gemüse einkaufen, sind Hindu-Frauen in bunten Saris zu sehen, auch Buddhisten und Christen gehören zu den Kunden der muslimischen Händler.

Hinter den Fischständen liegt der Eingang zu einer Moschee, die ein Mann mit rot gefärbtem Bart verwaltet. Muhamad Meerasahibo hat draußen ein großes Poster aufhängen lassen: "Für Extremismus ist im Islam kein Platz", steht darauf zu lesen. Eines Morgens nach den Anschlägen hatte er in sein winziges Büro geladen, dort kann er auf einem Bildschirm die Bilder von 25 Sicherheitskameras verfolgen: "Wir müssen wachsam sein", sagt Meerasahibo, "die Menschen haben Angst". Beim kleinsten Verdacht wolle er die Polizei rufen, versichert er. Sie fürchten nun Racheakte gegen die muslimische Gemeinde von Sri Lanka.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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