Österreich:Wahlprognose: Noch mehr Verwirrung

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Wer demnächst die Geschicke der Partei aus der SPÖ-Zentrale in Wien leitet, ist noch unklar. Wie man den besten Kandidaten oder Kandidatin dafür findet, offenbar auch. (Foto: Alex Halada/Imago)

Eine Mitgliederbefragung soll der SPÖ Klarheit verschaffen, wer die Partei in Zukunft führen soll. Ein eindeutiges Ergebnis erwartet aber offenbar niemand.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

In einer Woche, gleich nach der Landtagswahl in Salzburg am kommenden Sonntag, geht es los: Dann dürfen die Mitglieder der österreichischen Sozialdemokratie, deren Zahl, offiziell zumindest, bei etwa 150.000 liegt, ihre oder ihren neuen Vorsitzenden küren. Zwei Bewerber - der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und der Bürgermeister der niederösterreichischen Kleinstadt Traiskirchen, Andreas Babler - sowie die amtierende Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner stehen zur Wahl. Das war vor Kurzem noch anders, denn die Urwahl ist in dieser Form ein Erstling, die Regeln mussten regelrecht ausgekämpft werden, zeitweilig standen knapp 80 Kandidaten und Kandidatinnen auf der Liste, darunter auch eine Giraffe. Spaß muss sein.

Bis auf die drei Verbliebenen haben alle zurückgezogen oder die Bedingungen nicht erfüllt. Wobei aus dem Bauch der SPÖ zu hören ist, dass der eine oder andere drängende Anruf bei selbstbewussten Kandidaten deren Rückzug sehr beschleunigt haben dürfte. Nun ist das Bewerberfeld also aufgeräumt, die Abstimmung dauert bis zum 10. Mai, dann soll es ein Ergebnis geben. Nur: Wird es ein Ergebnis geben?

Die in den Statuten so nicht vorgesehene Mitgliederbefragung war, wenn man so will, ein politischer Unfall. Rendi-Wagner, die 2018 den Vorsitz der SPÖ vom zurückgetretenen Ex-Kanzler Christian Kern übernahm, hatte sich in einem TV-Interview massiv über die permanenten Querschüsse ihres parteiinternen Widersachers aus dem Burgenland, Hans Peter Doskozil, beschwert; auf den öffentlichen Befreiungsschlag folgte eine Vorstandssitzung, zu der Doskozil hinzugebeten wurde. Die Folge war der Urwahl-Beschluss.

Die Abstimmung gilt schon jetzt als "vermurkst"

Die Amtsinhaberin und der Herausforderer hätten antreten sollen, doch dann warf sich, was vorherzusehen gewesen war, der Traiskirchener Parteilinke Babler ins Rennen. Das Problem: Die ausgehandelten Regeln sehen keine Stichwahl in der offiziell nicht bindenden Befragung vor. Und da, sehr wahrscheinlich, kein Bewerber die absolute Mehrheit erringen dürfte, wird der oder die Vorsitzende dann letztlich doch auf einem außerordentlichen Parteitag Anfang Juni gewählt. Wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sich nach einem unklaren Urwahl-Ergebnis dort weitere Kandidaten zur Wahl stellen - mit der Begründung, nun müsse man die arme, alte SPÖ erst recht aus ihrem Schlamassel retten.

Umfragen sind, nicht nur zu diesem Zeitpunkt, mit extremer Vorsicht zu genießen. Der ORF-Journalist Martin Thür argumentiert sehr nachvollziehbar, es sei schier unmöglich, ein Stimmungsbild der SPÖ-Mitgliedergruppe zu erstellen, weil Effekte wie Mobilisierung, medialer Einfluss und prominente Unterstützer für einzelne Kandidaten hier schwer messbar seien. Der Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik rechnet im Standard zudem vor, bei drei Kandidaten und einigermaßen gleichmäßig verteilten Wählerpräferenzen hänge das Ergebnis einzig vom Wahlmodus ab.

Zwei Bewerber, Rendi-Wagner und Doskozil, hätten außerdem erklärt, dass sie sich auf dem Juni-Parteitag dem Votum der Delegierten stellen wollten, wenn sie in der Befragung die meisten Stimmen bekämen. Babler hingegen poche weiter auf eine Stichwahl. "Dass ein dermaßen vermurkster Prozess nur schwer in einem befriedigenden Ergebnis münden kann", folgert Ennser-Jedenastik, "lässt sich auch ohne Nobelpreis gut prognostizieren."

Die Zeitschrift Profil traut sich trotzdem und hat eine Umfrage bei 800 Befragten in Auftrag gegeben, nach der Doskozil, der Landeshauptmann aus dem Burgenland, bei 29 Prozent liegt, die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner bei 20 und Babler bei 15 Prozent.

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Was zur nächsten Frage führt: Was wäre ein befriedigendes Ergebnis für die traditionsreiche SPÖ, die als Sozialdemokratische Arbeiterpartei 1889 gegründet worden war? Und schlägt das Herz noch links? In der Stadt von Bürgermeister Andreas Babler steht das größte Erstaufnahmezentrum für Asylbewerber in Österreich, er positioniert sich in der Asyldebatte deutlich weniger martialisch als etwa der ehemalige Polizist und Verteidigungsminister Doskozil und wirbt mit dem Satz: Kein Mensch ist illegal. Der gelernte Maschinenschlosser hat ein Programm vorgelegt, mit dem er auch durch die Bundesländer tourt, fordert die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und einen Green New Deal.

Doskozil wiederum will eine restriktive Migrationspolitik, dafür aber gezielte Zuwanderung fördern, einen Mietpreisdeckel und einen höheren Mindestlohn. Die programmatischen Unterschiede sind letztlich nicht sehr groß, weshalb auch politische Erfahrung auf der großen Bühne sowie Kanzlerfähigkeit eine Rolle spielen dürften.

Und Rendi-Wagner, die glücklose Parteichefin, unter deren Ägide die SPÖ in Umfragen zuletzt wieder bei 23 Prozent - und damit hinter ÖVP und FPÖ gelandet ist? Sie lässt ausrichten, sie plane keine Werbetour durch die Bundesländer. "Ich führe keine Wahlkämpfe innerhalb meiner eigenen Partei", sagt die Medizinerin und ehemalige Gesundheitsministerin. Sozialdemokraten sollten ihrer Meinung nach eher miteinander statt gegeneinander kämpfen. Dafür ist es wohl zu spät.

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