Spitzenkandidaten vor der Europawahl:Möge die Macht mit ihnen sein

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Sieht man derzeit häufig an Deutschlands Straßen: SPD-Plakat zur Europawahl mit Martin Schulz, der Kommissionspräsident werden will. (Foto: dpa)

Geht es nach den Deutschen, dann soll der Sozialdemokrat Martin Schulz Präsident der EU-Kommission werden. Aber darüber abstimmen können sie gar nicht. Zumindest nicht direkt. Warum das mit der Europawahl alles so kompliziert ist.

Von Kathrin Haimerl

An einer Münchner Straßenecke haben sich Witzbolde ein SPD-Plakat für die Europawahl vorgenommen: Sie haben Martin Schulz' Kopf mit dem Helm von Darth Vader überklebt. Schulz, auf der dunklen Seite der Macht? Das sehen die meisten Deutschen anders, sie wünschen ihn sich als Präsidenten der EU-Kommission.

In der Tat hat Martin Schulz viel vor. Er ist Spitzenkandidat der SPD für die Wahl des Europäischen Parlaments. Außerdem will er eben Kommissionspräsident werden. Das hat er in den vergangenen Wochen mehrfach deutlich gemacht. Dann wäre er gewissermaßen Chef der europäischen Exekutive, eine Art Regierungschef.

Schulz ist auf Deutschlands Straßen recht präsent: Die SPD plakatiert fleißig mit ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl, während die Union mit Jean-Claude Juncker und David McAllister sehr zurückhaltend umgeht. Sie wirbt lieber mit der Kanzlerin. Die Strategie der SPD ist nicht schlecht, denn Schulz ist bei den Deutschen sehr beliebt: Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge sähen 39 Prozent der Befragten Schulz gerne als künftigen Präsidenten der EU-Kommission, seinen konservativen Widersacher Jean-Claude Juncker nur 22 Prozent.

Die beiden Kontrahenten inszenieren diesen Wahlkampf gerne als Duell um das mächtigste Amt in Europa, um den Posten des Kommissionspräsidenten. Aber steht der überhaupt zur Wahl?

  • Nein. Es geht bei dieser Wahl ums Europäische Parlament und dafür haben die Parteien erstmals europäische Spitzenkandidaten aufgestellt. An diesem Donnerstagabend präsentieren sich alle im Fernsehen. Ab 20.45 liefern sich Schulz für die europäischen Sozialdemokraten, Juncker für die Europäische Volkspartei, Guy Verhofstadt für die Liberalen, Ska Keller für die Grünen und Alexis Tsipras für die europäische Linke im Fernsehen einen Schlagabtausch, der europaweit übertragen wird. Die European Broadcasting Union, ein Zusammenschluss mehrerer Rundfunkanstalten aus Staaten Europas, Nordafrika und Vorderasiens, kündigt das Ereignis vielversprechend als "Eurovision Debate" an, die Fernsehgeschichte schreiben werde. In Deutschland überträgt Phoenix die Gesprächsrunde.

Und was hat das nun mit dem Kommissionspräsidenten zu tun?

  • Erstmals müssen die EU-Staats- und Regierungschefs das Wahlergebnis auf der Suche nach einem Kandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten in irgendeiner Form berücksichtigen, so steht es in Artikel 17 Absatz 7 des EU-Vertrags. Was das konkret heißt, wird sich zeigen. Bereits jetzt ist es so, dass das Europäische Parlament in dieser Personalfrage ein Mitbestimmungsrecht hat. Der vom Rat vorgeschlagene Kandidat braucht also noch die Zustimmung des Parlaments.

Also wähle ich doch den Kommissionspräsidenten?

Nun ganz konkret. Wen oder was kann ich ankreuzen, wenn ich zur Wahl gehe?

  • Die europäischen Spitzenkandidaten erwecken den Anschein, dass diese in den einzelnen Mitgliedsstaaten zur Abstimmung stehen. Stimmt nicht. Auf dem Wahlzettel in Deutschland beispielsweise finden sich die Namen Jean-Claude Juncker, Guy Verhofstadt und Alexis Tsipras nicht. Ankreuzen kann man eine Partei, daneben stehen die deutschen Spitzenkandidaten. Wer also auf europäischer Ebene Jean-Claude Juncker will, muss in Deutschland CDU wählen, deren Spitzenkandidat der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister ist, in Bayern müssen Juncker-Fans CSU wählen, deren Spitzenkandidat Markus Ferber ist. Die europäische Grünen-Spitzenkandidaten Ska Keller findet sich bei den deutschen Grünen auf Platz drei der Liste, hinter Rebecca Harms und Sven Giegold.

Alles klar? Klingt kompliziert, ist es auch. Das liegt daran, dass die Europawahl zwar europaweit stattfindet, aber national gewählt wird. Die meisten nationalen Parteien gehören einer europäischen Parteienfamilie an, CDU und CSU zur Europäischen Volkspartei (EVP), die SPD zur SPE, zur sozialdemokratischen Partei Europas; deren Spitzenkandidat wiederum ist Martin Schulz und gleichzeitig ist er Spitzenkandidat der deutschen SPD. So weit, so verwirrend.

Nun sind die deutschen Umfragen bezüglich des europäischen Wahlergebnisses sowieso wenig repräsentativ. Denn auf europäischer Ebene relativiert sich die Beliebtheit von Martin Schulz. Europaweite Umfragen setzen auch auf nationaler Ebene an, nehmen also nationale Umfragewerte als Ausgangspunkt und rechnen diese dann hoch.

Und da sieht es eine gute Woche vor der Wahl dann so aus:

EVP und SPE liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ganz knapp vorne sind die Konservativen - mit drei Sitzen Vorsprung im Parlament.

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