Spitzenkandidaten:Grüne ziehen mit Töpfer und Raschke in Landtagswahlkampf

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Benjamin Raschke und Antje Töpfer erringen die ersten beiden Listenplätze bei der Landtagswahl Brandenburg und machen ein Selfie. (Foto: Frank Hammerschmidt/dpa)

Die Grünen wollen weiter regieren und im September ihre Sitze im Landtag verteidigen. Auf einem Parteitag gibt sich die Partei selbstsicher und teilt in Richtung der Koalitionspartner aus.

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Cottbus (dpa) - Die Grünen in Brandenburg rüsten sich mit der Wahl einer Doppelspitze für die Landtagswahl im September. Mit überzeugender Mehrheit wurden Verbraucherschutzstaatssekretärin Antje Töpfer und Fraktionschef Benjamin Raschke am Samstag beim Landesparteitag in Cottbus als Spitzenkandidaten gewählt. Co-Landeschefin Hanna Große Holtrup schwor die Delegierten auf den Wahlkampf der kommenden Monate ein. Das Wahlprogramm wurde am Sonntag mit einer Präambel vervollständigt. Auch grüne Bundespolitiker richteten Worte an die Parteimitglieder und machten Mut. Erwartete Proteste am Veranstaltungsort in der Innenstadt blieben aus.

Töpfer und Raschke mit über 90 Prozent gewählt

Die 55-jährige Verbraucherschutzstaatssekretärin Töpfer erhielt auf dem ersten Listenplatz 91,13 Prozent der Stimmen. Es gab sieben Enthaltungen und vier Nein-Stimmen. Grünen-Fraktionschef Raschke erhielt auf Platz zwei 92,86 Prozent der Stimmen bei fünf Enthaltungen und vier Nein-Stimmen.

Es gebe neuen gesellschaftlichen Mut, sagte Raschke nach der Abstimmung mit Blick auf die Demonstrationen der vergangenen Wochen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. „Wir haben für uns den klaren Auftrag, dass wir die Demokratie verteidigen und stärken müssen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe dafür starken Nachwuchs in der Partei. Ende 2023 hatten die Grünen nach eigenen Angaben 2693 Mitglieder, inzwischen sind es rund 2850.

Mission ländliche Räume

Seine Mission sei, die Grünen zu einer Partei der ländlichen Räume zu machen, sagte der Südbrandenburger. Vor allem der Nahverkehr und die Gesundheitsversorgung seien Schwerpunktthemen. Die Grünen setzten sich dafür ein, dass es in jedem Ort in jeder Stunde ein Verkehrsangebot gebe. „Niemand soll abgehängt sein“, sagte Raschke den Zeitungen „Prignitzer“ und „Nordkurier“. Zudem müssten die Bürger auch in Zukunft jederzeit einen Arzttermin bekommen können, auch auf dem Land. In Brandenburg sei trotz der SPD-Gesundheitspolitik im Bund kein einziges Krankenhaus geschlossen worden. Dafür habe das grüne Gesundheitsressort viel getan. „Das wollen wir fortsetzen.“

Landesvorsitzende: Zehn Abgeordnete im Landtag ist Ziel

Auf dem Parteitag wurde am Samstag und Sonntag über die weiteren Kandidaten für die Landtagswahl abgestimmt. Gewählt wurden auf den vorderen Plätzen Petra Budke (Platz 3/ 89,5 Prozent), Clemens Rostock (Platz 4/ 96 Prozent), Marie Schäffer (Platz 5/ 59,8) Patrick Telligmann (Platz 6/ 54,7), Isabell Hiekel (Platz 7/ 50,8) und Christian Wessel (Platz 8/ 65 Prozent).

Die Co-Landesvorsitzende der Grünen, Hanna Große Holtrup, hatte im Januar das Ziel von mindestens zehn Abgeordneten im Landtag nach der Landtagswahl ausgegeben - so viele sind es derzeit. Die Partei peilt bei der Wahl ein zweistelliges Ergebnis an. Letzte Umfragen sah sie bei acht Prozent. Bei der Wahl 2019 erreichten die Grünen mit 10,8 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis. Sie regieren mit SPD und CDU.

Kritik an Koalitionspartnern CDU und SPD

„Noch regieren wir und wir haben nicht vor, damit ab September aufzuhören“, rief Große Holtrup den Delegierten in einer kämpferischen Rede zu. „Wir stehen für eine Politik, die sich langfristigen Herausforderungen stellt und echte Lösungen bereit hat.“ Scharfe Kritik übte sie an CDU und SPD. Die Abgrenzung der CDU gegen Rechtsextremismus bröckle, sagte sie und warf den Christdemokraten Opportunismus vor. Das habe nichts mit einer „klaren Brandmauer gegen Staatsfeinde und Menschenhasser“ zu tun.

Der SPD warf sie vor, monatelang den Klimaplan des Landes blockiert zu haben. Dieser werde nun nächste Woche im Kabinett verabschiedet - das sei ein Erfolg der Grünen und von Umweltminister Axel Vogel, sagte Große Holtrup unter Applaus. Der Klimaplan in Brandenburg ist eine ressortübergreifende Klimaschutzstrategie mit zahlreichen Maßnahmen zur Erreichung einer Klimaneutralität bis 2045.

Bundespolitikerinnen: Engagierte gegen rechts mehr unterstützen

Bundesfamilienministerin Lisa Paus forderte bei ihrer Gastrede mehr Unterstützung für die Menschen, die sich für Demokratie, Toleranz und gegen Rechtsextremismus einsetzen. Es brauche stabile Unterstützungsstrukturen, sagte Paus in Cottbus. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ habe viel getan. Die Wahrheit sei aber, dass das mitunter prekär finanzierte Modellprojekte seien. Paus forderte einmal mehr ein Demokratiefördergesetz als Instrument.

Das Bundeskabinett hat das Demokratiefördergesetz bereits beschlossen. Ziel des geplanten Gesetzes ist es, Vereine und Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie, gesellschaftliche Vielfalt und die Prävention von Extremismus einsetzen, mit einer besseren langfristigen finanziellen Grundlage auszustatten. In der FDP-Bundestagsfraktion wächst allerdings der Widerstand gegen das im Kabinett beschlossene Gesetz.

Die politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, rief die Delegierten dazu auf, im Kampf gegen rechts nicht nachzulassen. Die Grünen seien „schon lange der größte Feind der Rechten“. „Wir erleben das in Wahlkämpfen, im Netz und immer schlimmere Angriffe“, beschrieb Büning. Der Landesparteitag fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei hatte das Areal vor dem Tagungsort weiträumig abgesperrt. „Wir haben gestern gesehen, wie die Absperrungen hier auf dem Platz uns auch Sorgen bereitet haben, aber wir haben auch gesehen, es kam niemand und wir sind (...) gesichert worden“, sagte Büning. „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“

Die Region, vor allem aber Cottbus, gilt als Hochburg des Rechtsextremismus in Brandenburg. Zwei Lehrkräfte aus Burg, die rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule bekannt gemacht hatten, waren im Anschluss zunehmend Anfeindungen ausgesetzt und verließen schließlich die Schule zum Sommer.

© dpa-infocom, dpa:240301-99-186026/6

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