Spionageverdacht:Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Funktionär der türkischen Religionsbehörde Diyanet

Lesezeit: 1 min

Die Behörde hat nach Informationen von SZ, NDR und WDR gegen Halife Keskin ein Verfahren wegen des Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit eingeleitet.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft hat nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit gegen Halife Keskin, einen der ranghöchsten Funktionäre der türkischen Religionsbehörde Diyanet, eingeleitet. Keskin leitet die Abteilung Auslandsbeziehungen der Diyanet. Er soll diplomatische Vertretungen der Türkei in aller Welt aufgefordert haben, gezielt Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung zusammenzutragen. Auch soll er Imame in Deutschland beauftragt haben, in deutschen Moscheen Gülen-Anhänger auszuforschen. Den Ermittlern soll eine Aufforderung von Diyanet vorliegen, Material über Gülen-Anhänger an ihn zu schicken und es soll auch eine Aufforderung von Keskin selbst geben, solches Material an ihn weiterzuschicken.

Der Verdacht gegen Keskin beruht nach Informationen des Recherche-Verbundes auf den Angaben eines Insiders, der der Karlsruher Behörde in den vergangenen Wochen Material über Keskin übergeben haben soll. Das Verfahren soll am 13. März eingeleitet worden sein. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck hatte Mitte Februar die Karlsruher Bundesanwaltschaft darüber informiert, dass sich Keskin in Köln aufhalte. Becks Mail war nach Angaben der Behörde versehentlich gelöscht worden.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering, die Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe ist und in einem Spitzel-Dossier des MIT verdächtigt wird, "gute Beziehungen" zur Gülen-Bewegung aufgebaut zu haben, hat im Gespräch mit SZ, NDR und WDR die Vorgehensweise deutscher Sicherheitsbehörden kritisiert. "Ich hätte mir von unseren Behörden mehr Sensibilität erwartet", erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete. Die Sicherheitsbehörden hatten das Dossier des türkischen Geheimdienstes, in dem auch die SPD-Bundestagsabgeordnete auftauchte, Mitte Februar bekommen und die Parlamentarierin erst am 27. März über die Ausforschungsaktivitäten des türkischen Geheimdienstes informiert. "Das Parlament hat einen Anspruch darauf zu wissen, was und wie das abgelaufen ist", sagte Müntefering.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ExklusivMİT-Spionage in Deutschland
:Der merkwürdige Umgang mit der türkischen Spionageliste

Das Dossier des Geheimdienstes MİT gelangte an mehrere deutsche Behörden - Betroffene wie Michelle Müntefering wurden erst Wochen später informiert. Die Bundesregierung räumt ein, nicht sorgsam genug gewesen zu sein.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: