SPD:Störgeräusche

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Sachsens Sozialdemokraten liegen in Umfragen noch tiefer als Parteifreunde anderswo. Helfen soll jetzt ein Lächeln.

Von Ulrike Nimz, Neukieritzsch

Es gibt bessere Orte um einen Samstag zu verbringen als die Parkarena im sächsischen Neukieritzsch. Das Freibad nebenan etwa. Während sie dort einen Sonnenbrand riskieren, setzt Martin Dulig zur Brandrede an: "Was ist nur in diesem Land los?", ruft Sachsens SPD-Chef. "Was ist nur mit unserer SPD los?"

Die Frage stellen sich Genossinnen und Genossen bundesweit, im Freistaat brauchen sie langsam Antworten: In den jüngsten Umfragen kommt die SPD nur noch auf sieben bis acht, die CDU auf 24 Prozent. Für Schwarz-Rot wird es nach der Landtagswahl am 1. September also nicht mehr reichen. Und doch wollen 140 Delegierte an diesem Wochenende ein "Regierungsprogramm" beschließen. Dulig gibt sich kämpferisch, mahnt erneut eine Erneuerung an: Der Begriff "Volkspartei" sei überholt, die SPD müsse zur Gesellschaftspartei werden, die Veränderungen aufgreife und nah dran sei an Bedürfnissen der Menschen. Gerechtigkeitsfragen dürften nicht von Nationalisten beantwortet werden.

Martin Dulig, Landesvorsitzender der SPD Sachsen, macht auch die Bundespartei für das Umfragetief in seinem Land verantwortlich. Seine Partei liegt derzeit bei sieben bis acht Prozent. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

"Geben wir Sachsen sein Lächeln zurück", sagt Dulig und muss feststellen, dass das schon hier, in dieser schattigen Mehrzweckhalle, ein hartes Stück Arbeit ist: Seine Rede ist engagiert, der Applaus verhalten, eine Rückkopplung hartnäckig. Erst am Schluss hieven sich die Genossen doch noch von den Stühlen. Später wird einer von ihnen die anfängliche Zurückhaltung mit "aufmerksamem Zuhören" rechtfertigen. Wie ein Schüler, der in der siebten Stunde Gemeinschaftskunde beim Einnicken erwischt worden ist. Es folgt der Tagesordnungspunkt "Aussprache"; statt abzurechnen, spricht man sich Mut zu: Petra Köpping, Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, nennt den Kampf gegen Rechtsextremismus als größte Herausforderung. Sie ruft zur Unterstützung von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern auf, die nah dran sind am Volk und manchmal auch an der Erschöpfung. Carlo Hohnstedter, "born in Borna", will gerade in den aussichtslosen Regionen dafür sorgen, dass die SPD wieder ernst genommen wird: "Hoch die interkommunale Solidarität!", sagt Hohnstedter.

Neukieritzsch, 7000 Einwohner, liegt am Rande des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain, die Abraumkrater sind vielerorts Seen gewichen. Strukturwandel ist hier nicht nur ein Schlagwort. Neben Mietendeckel, Gemeinschaftsschule und Cannabis diskutieren die Delegierten über einen früheren Kohleausstieg: Man brauche sich bei "Fridays for Future" nicht mehr blicken lassen, wenn man am Jahr 2038 festhalte, sagen die Jusos. Dulig verwahrt sich gegen "Weltrettungsargumente". Am Ende bleibt erst mal alles beim Alten und das Ziel für die Wahl bescheiden: die 12,4 Prozent aus dem Jahr 2014 halten.

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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