Sozialdemokratie:Die Kandidatensuche könnte zum endgültigen Kollaps der SPD führen

Lesezeit: 2 Min.

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, will die Partei nicht führen. (Foto: dpa)

Schon bislang ließ die Bewerberlage für den Parteivorsitz zu wünschen übrig. Nun ist sie trostlos - weil sich Spitzenkräfte wie Stephan Weil der Verantwortung verweigern.

Kommentar von Mike Szymanski, Berlin

Es scheint, als ob sich die SPD regelrecht dagegen sträubt, wiederbelebt zu werden. Kaum anders ist zu erklären, was bei den Sozialdemokraten gerade vor sich geht. Bereits zwei Wochen vor Ende der Bewerbungsfrist stellt sich die Frage, ob die SPD mit dem Verfahren zur Auswahl einer neuen Parteispitze nicht schon gescheitert ist.

Mit der Absage von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey bleibt kaum mehr eine prominente Frau übrig, die Teil eines Spitzenduos zur Rettung der SPD sein könnte.

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Im Kampf um den SPD-Parteivorsitz brauchen die Bewerber den Rückhalt von mindestens einem Landesverband oder von fünf Kreisverbänden. Diese Duos haben die Voraussetzung schon erfüllt.

Von Philipp Saul

Die Bewerberlage ließ bislang schon zu wünschen übrig. Nun ist sie: trostlos. Mit dem Eintritt des Kandidatenduos Gesine Schwan und Ralf Stegner ins Rennen sieht sich die Partei neuerdings auch noch Hohn und Spott ausgesetzt. Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission und frühere Kandidatin um das Amt der Bundespräsidentin, steht mit ihren 76 Jahren kaum für den Aufbruch, den sich viele in der Partei wünschen. Und wer bei Ex-Chefin Andrea Nahles das Charisma vermisste, breite Schichten emotional zu erreichen, dürfte sich bei Parteivize Stegner ebenfalls schwertun, auch wenn dieser keineswegs so miesepetrig ist, wie er auf manchen Bildern ausschaut.

Die Angriffe auf die beiden aus den eigenen Reihen sind allerdings unangebracht. Nicht die Leute, die sich einbilden, die SPD führen zu können, sind das Problem. Es sind jene, die sich dieser Aufgabe so vehement verweigern. Vorneweg neben Giffey: Stephan Weil, Ministerpräsident in Niedersachsen und Manuela Schwesig, Regierungschefin in Mecklenburg-Vorpommern. Mit ihrer falsch verstandenen Zurückhaltung haben sie das Vakuum erst entstehen lassen, das nun Bewerber auf die große Bühne zieht, die kaum in der Lage sind, für sich Begeisterung zu wecken.

Jetzt zeigt sich, wie komplett falsch der Findungsprozess von der kommissarischen Parteispitze aufgesetzt worden ist. Es begann damit, dass sich die SPD viel zu viel Zeit nimmt: Allein zwei Monate gönnt sie sich für die Bewerbungsfrist. Erst im Dezember wird Klarheit herrschen, wer die Partei führt. Hinzu kommt, dass die Spitze das Verfahren mit dem Wunsch nach einer Doppelspitze unnötig überfrachtet hat.

Mit seinem persönlichen Zaudern hat Weil die Ehrgeizigeren aus Niedersachsen ausgebremst

Alles zusammen hat dazu geführt, dass die vielversprechenden Kandidaten anfingen, zu taktieren. In Niedersachsen, einem mächtigen Landesverband, stehen mehrere Kandidaten bereit. Doch mit seinem persönlichen Zaudern hat Stephan Weil die Ehrgeizigeren wie Innenminister Boris Pistorius und Generalsekretär Lars Klingbeil ausgebremst. Nun wird hinter den Kulissen gerungen. Arbeitsminister Hubertus Heil überlegt auch wieder, ob er nicht sollte. In Hannover tobt man sich munter im Hinterzimmer aus, das mit diesem Verfahren eigentlich der Vergangenheit angehören sollte. Derweil wird der Atem der SPD im Bund immer flacher. Völlig ungerührt fährt die SPD nebenbei drei Landtagswahlen im Osten an die Wand, so sehr ist sie mit sich selbst beschäftigt. Das Schmerzempfinden scheint nicht mehr zu existieren.

Die Häme, wie sie CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mit seinen abfälligen Äußerungen über die SPD an den Tag legt, ist allerdings völlig fehl am Platz. Ob es der Union gefällt oder nicht: Solange sie mit der SPD zusammen regiert, sind die Probleme der SPD zu einem gewissen Grad auch ihre Probleme. Und die sind ernst: Die SPD droht zu kollabieren.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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