SPD:Party-Dampfer in den Sonnenuntergang

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Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil tanzen für einen kurzen Moment auf der MS Havel Queen vor dem Ablegen zur Spargelfahrt des Seeheimer Kreises auf dem Wannsee. (Foto: dpa)

Der Seeheimer Kreis der SPD lädt zur Spargelfahrt, schippert über den Wannsee - und verbreitet gute Laune. Den ganzen Ärger, den lässt man einfach am Ufer zurück.

Von Mike Szymanski, Berlin

Seeheimer muss man sein in der SPD - dann fühlt sich auch das Schlimme noch erträglich an. Dann besteigt man nach Tagen wie diesen, an denen sich Andrea Nahles von der Politik abgemeldet hat, die Havel Queen, einen Party-Dampfer, und schippert in der Abendsonne über den Wannsee. Den ganzen Ärger, den lässt man einfach am Ufer zurück.

Die Seeheimer in der SPD, das sind die konservativen Abgeordneten der Fraktion. Besser passt: der Kreis der hemmungslosen Pragmatiker. Hier ist und bleibt Vize-Kanzler und Finanzminister Olaf Scholz "der Chef", ganz gleich, ob die Frau, mit der er an der Spitze die Partei erneuern wollte, gerade so dramatisch gescheitert ist. Wenn Johannes Kahrs, der Sprecher der Seeheimer, zur Spargelfahrt an den Wannsee ruft, dann wird gefeiert - ganz gleich wer zurückbleibt.

Nahles hatte als Parteichefin auf der Havel Queen nur einen Auftritt, 2018 war das. Trotzdem lebt sie als Vorsitzende im Vorwort des Begleitheftchens weiter: "Während die SPD auf der MS-Groko den Kurs vorgibt, dürfen wir uns auf der Seeheimer Spargelfahrt ein paar Stündchen treiben lassen." Kahrs hat schon recht, wenn er sagt: "Wir sind bekanntermaßen der stabilste Teil der SPD." Die MS-Groko ist halt nur noch ein Geisterschiff.

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Kahrs wäre nicht Kahrs, wenn der 55-Jährige sich nicht schon darüber freuen würde, dass seine Partei immerhin so schnell Übergangschefs benannt hätte - gleich drei an der Zahl. Die Vizes Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig sollen der Partei wieder auf die Beine verhelfen. Kommissarisch sind sie eingesetzt. Dauerhaft will keiner der drei Spitzenpolitiker die SPD führen. Schwesig darf gleich mal unter Deck schwitzen und via Lautsprecher Optimismus verbreiten. Oben hören viele gar nicht zu. Nächstes Jahr schwitzt jemand anderes.

Ein heißer Sommertag, Bootfahren, Spargelessen

Wenn Nahles in ihrem neuen Leben ohne Politik etwas nicht vermissen dürfte, dann ist das wohl, neben den Ex-Chefs Martin Schulz und Sigmar Gabriel und dem rüpelhaften Parlamentarier Florian Post aus Bayern, die Spargelfahrt der Seeheimer. Bevor das Schiff überhaupt ablegt, werden die Reden gehalten und der Spargel gereicht. Wer danach von Bord will, kann noch rechtzeitig gehen. Die Seeheimer halt. Trauerstimmung, weil Nahles nun weg ist? Familienministerin Franziska Giffey schlendert übers Oberdeck. Sie plaudert, sie lacht, sie amüsiert sich. Ein heißer Sommertag, Bootfahren, Spargelessen - das könne gar nicht falsch sein. Es helfe auch nichts, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.

Unter Deck spielt die Musik. Olaf Scholz sagt im Smalltalk, zur politischen Lage sei schon alles gesagt. Er erzählt, dass er mal einen Segelschein gemacht hat und - die Umstände waren günstig - auch noch die Erlaubnis für kleinere motorisierte Boote dazubekam. Seine SPD bekommt gerade gar nichts geschenkt.

Dafür darf gerade in der SPD über alles gesprochen werden. Doppelspitze, Urwahl. Kahrs, der oberste Seeheimer, ist dann natürlich auch mit einem Vorschlag zur Stelle: "Ich persönlich würde auch darum bitten, ob man nicht vielleicht auch Nicht-Mitglieder einbeziehen kann", sagt er. "Für uns alle wäre das ein großer Schritt nach vorn." Was daraus wird? Kann man im nächsten Jahr beurteilen, wenn die Seeheimer wieder in See stechen. Dann wird auch ein neuer Vorsitzender zu ihnen sprechen, oder eine neue Vorsitzende. Vielleicht auch: zwei.

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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