SPD:Regierung wagen!

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Martin Schulz hat den Weg der SPD klar abgesteckt und der heißt seiner Meinung nach Opposition. Nun aber hat sich die Geschäftsgrundlage radikal geändert, die SPD muss in die Regierung gehen. Mit welchem neuen Parteichef auch immer.

Von Heribert Prantl

Der Weisheit letzter Schluss war eine große Koalition nie; sie ist es auch jetzt nicht. Es geht aber nun, zum Jahreswechsel 2017/2018, nicht um Weisheit, sondern um die Regierbarkeit des Landes. In unruhigen Zeiten verträgt das Land eine nur geschäftsführende Regierung, die nicht vom neuen Bundestag legitimiert ist, nicht über viele Monate hin. Das Land braucht eine aktionsfähige Regierung - bald und nicht erst im nächsten Frühsommer, nicht erst nach Neuwahlen, von denen man nicht weiß, was sie bringen und was sie ändern werden.

Es geht nicht um Weisheit, es geht um Regierbarkeit

Daher muss die SPD ihre Festlegung überdenken, in die Opposition zu gehen. Es gab und gibt viele Gründe für eine SPD in der Opposition; die werden über Nacht nicht falsch. Und doch muss sie nun über eine Regierungsbildung mit der Union verhandeln. Gewiss: Eine Partei übernimmt auch in der Opposition Verantwortung. Gewiss: Eine starke Opposition ist wichtig für die Demokratie. Aber eine Opposition kann ihre Rolle nur dann spielen, wenn es eine Regierung gibt. Deshalb muss die SPD nun, entgegen ihren bisherigen Vorstellungen und Ankündigungen, doch mehr große Koalition wagen.

Die FDP hat die Regierungsbildung torpediert. Wenn und weil eine Jamaika-Koalition nicht zustande kommt, ändert sich die bisherige Geschäftsgrundlage der Politik. In der Juristerei ist es so, dass ein Vertrag angepasst werden muss, wenn sich die Geschäftsgrundlage ändert oder entfällt. In der Politik ist das nicht anders. Die SPD muss sich also der Frage stellen, ob sie wirklich das Land in Neuwahlen torkeln lässt - oder ob sie in neuer Situation ein Bündnis fortsetzt beziehungsweise neu gründet, das eigentlich funktioniert hat; dem aber der Wähler den Lohn verweigert hat.

Die SPD hat nun Angst davor, dass man sie der Lüge und der Umfallerei zeiht, wenn sie vom Oppositions-Versprechen abrückt. Das Abrücken wäre aber nicht Umfallerei, sondern Ausdruck von Verantwortung - einer Verantwortung, der sich die FDP verweigert hat. Wenn es um das Wohl des Landes geht, ist eine Partei dann groß, wenn sie nicht nur darüber nachdenkt, was sie selbst braucht, sondern darüber, was das Land braucht. Sturheit braucht es nicht; und für den Egoismus gibt es ja schon die FDP. Die SPD ist die Partei der Solidarität; jetzt hat die Solidarität dem Land zu gelten.

Es mag sein, dass der Weg, den die SPD zu gehen hat, mit Martin Schulz nicht glaubwürdig gegangen werden kann - weil er sich klar und schier unverrückbar auf Opposition festgelegt hat. Dann wäre es gut, wenn die Partei einen neuen Chef wählt, heiße der nun Olaf Scholz oder, noch einmal, Sigmar Gabriel. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein abgetretener Parteichef noch mal antritt. Es geht darum, wie man Verantwortung wahrnimmt.

Verantwortung darf kein Wort sein, auf dem man im Wahlkampf eifrig herumkaut, das man aber nachher wie einen Kaugummi wieder ausspuckt. Das kann die FDP so halten. Dem Land täte es gut, wenn die SPD sich anders verhielte: besonnener, zuverlässiger und pflichtbewusster. Vielleicht ist dann auch der Wähler klug genug, das zu honorieren.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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