SPD-Parteitag:Zum Ruhm der anderen

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Zweimal nur Nummer zwei: Vize-Ministerpräsident Nils Schmid (li.) und Vizekanzler Sigmar Gabriel. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Es könnte gut laufen für die SPD. Tut es aber nicht. Auf dem Parteitag in Stuttgart zeigt sich, wieso sie auch bundesweit nicht aus dem Umfragetief kommt.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Der Schwabe und die Sozialdemokratie, schwieriges Thema. Ralf Stegner, der SPD-Bundesvize aus Schleswig-Holstein, wagte vor Kurzem einen volkskundlichen Exkurs: Der Schwabe wähle eben nur so lange SPD, bis er sein Eigenheim habe. Er ist demnach nur sozial, solange es ihm selber nutzt. Krebst die baden-württembergische SPD deshalb in den Umfragen an der 20-Prozent-Marke herum?

"Typische Ferndiagnose, völlig falsch", sagt Nils Schmid. Im Übrigen habe Stegner sich längst entschuldigt, fügt er grinsend hinzu. Der Wirtschafts- und Finanzminister von der SPD sitzt am Besprechungstisch in seinem Amtszimmer im Neuen Schloss, gleich muss er zur Weihnachtsfeier seines Ministeriums. Es könnte Schmids letzte in diesem Amt sein, obwohl doch eigentlich alles rund läuft.

Die Wirtschaft boomt, es gibt keine nennenswerte Arbeitslosigkeit. Die schwarze Null im Haushalt hat Schmid wieder hinbekommen, obwohl er viel Geld für Flüchtlinge und Lehrer nachschießen musste. Das Modell Baden-Württemberg, Sozialpolitik aus der Position wirtschaftlicher Stärke heraus, müsse Vorbild für ganz Deutschland sein, findet Schmid. Er könne der Bundespartei nur raten, dieses Modell aufzugreifen. "Mit altlinken Umverteilungsfantasien kann die SPD im Süden jedenfalls nichts gewinnen", sagt er, ohne den Namen Stegner zu erwähnen.

Beim Bundesparteitag diese Woche in Berlin wird Schmid wieder Gelegenheit haben, die üblichen Debatten zu führen. Hängt die Bundespartei bei 25 Prozent fest, ohne Perspektive auf das Kanzleramt, weil der angeblich unsoziale Süden, also Bayern und Baden-Württemberg, nicht in die Gänge kommt? Oder hängt Baden-Württemberg bei 20 Prozent fest, ohne Perspektive auf das Amt des Ministerpräsidenten, weil die Bundespartei lahmt? Schmid glaubt an Variante zwei.

Seit jeher liegt die SPD im Land vier bis sechs Prozentpunkte hinter dem Bund. Die letzten Umfragen verheißen Schmid, obwohl die Mehrheit mit der Regierungsarbeit zufrieden ist, für die Landtagswahl im März gar nur 18 Prozent. Der populäre Regierungschef Kretschmann greift viele SPD-Anhänger ab. Schmid bräuchte deshalb dringend Rückenwind aus Berlin. Auf dem Spiel steht die grün-rote Regierungsmehrheit, letztlich wohl auch Schmids Amt als Landesvorsitzender. Aber Baden-Württembergs SPD und die Bundes-SPD, das sind zum Teil fremde Universen.

Die Bundestagsabgeordnete Ute Vogt gehört dem Präsidium an, Europaminister Peter Friedrich dem Bundesvorstand. Schmid kann als stellvertretender Ministerpräsident an den Sitzungen teilnehmen. Das war's mit dem Spitzenpersonal aus Südwest. "Es ist klar", sagt Schmid, "wenn alle Führungsfiguren aus dem Norden kommen, dann fehlt uns im Süden eine Identifikationsfigur. Umso wichtiger ist es, dass Gabriel und Steinmeier ein Gespür für unsere Themen haben."

In Baden-Württemberg verstehen manche Sozialdemokraten nicht, warum die Bundespartei jede Schlacht für Migranten schlägt: gegen Transitzonen, gegen das Burkaverbot. Die SPD müsse den Eindruck vermeiden, dass sie Probleme wie die Wohnungsnot nur wegen der Flüchtlinge anpacke. Nils Schmid sagt, er fühle sich in der Frage beim Vorsitzenden Sigmar Gabriel gut aufgehoben. Beim SPD-Landesparteitag in Mannheim plädierte Gabriel in einer Grundsatzrede dafür, auf die Mitte der Gesellschaft zuzugehen und empfahl die SPD in dieser epochalen Krise als Garanten für den sozialen Zusammenhalt. So sieht das auch Schmid, man müsse die Position nur deutlicher herausarbeiten. Die SPD als Schutzmacht von Flüchtlingen und Einheimischen zugleich. "Der Gedanke der Integration ist ein sozialdemokratischer, niemand versteht davon mehr als wir."

Im Land muss sich die SPD nun manchmal vorhalten lassen, sie entdecke das Soziale allzu spät vor der Wahl. Speziell Schmid habe sich öffentlich allzu sehr verkämpft, um Unternehmenserben vor einer höheren Erbschaftsteuer zu bewahren. Schmid nennt die Vorwürfe "Humbug" und verweist auf sozialen Wohnungsbau, Einführung von Gesamtschulen, Ausbau der Ganztagsbetreuung, vieles mehr.

In Stuttgart wird über eine Ampelkoalition spekuliert. Sie wäre ein Signal nach Berlin

Letztlich sitzen sie im gleichen Boot, Landes-SPD und Bundes-SPD. Alle sozialdemokratischen Positionen, die sie in der Regierung abarbeiten, mehren die Popularität der CDU-Kanzlerin respektive des grünen Ministerpräsidenten. In Richtung dreißig Prozent ausbrechen könnte Baden-Württembergs SPD nur, wenn sie den Ministerpräsidenten stellen könnte. Vor vier Jahren verfehlte Schmid das Ziel knapp. Er scheiterte wegen der Katastrophe in Fukushima, die grüne Wähler mobilisierte. Aufgeben will Schmid aber nicht, auch wenn das Ziel derzeit in weiter Ferne liegt. "Entscheidend ist, dass die CDU nicht wieder an die Macht kommt", sagt er.

Zweifellos halten einige in der SPD-Landtagsfraktion die CDU für einen bequemeren Koalitionspartner als die Grünen. Schmid aber wirft den Christdemokraten eine "Verelendungs-Strategie" vor; sie würden "Ressentiments befeuern", um die AfD zu stärken und so die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu verschieben. Am Ende könnte es aber doch so sein, dass sich die CDU nur durch eine Ampelkoalition mit der FDP von der Macht fernhalten lässt. Grün, Rot, Gelb. Das ist derzeit die heißeste Spekulation in Stuttgart und wäre auch ein bemerkenswertes Signal nach Berlin.

Nils Schmid beharrt darauf, er kämpfe nur für Grün-Rot. Und alles andere sei "Unsinn". Was er eben sagen muss, drei Monate vor der Wahl.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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