SPD:Die viertstärkste Partei

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Mit den Sozialdemokraten geht es bei Wahlen im Bund und den Ländern immer mehr bergab. Der Trend könnte sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Viele Genossen wirken allzu rechthaberisch und freudlos, um ihre Partei attraktiv zu machen. Die Konkurrenten ziehen davon.

Von Detlef Esslinger

Es gibt nun ein neues Politbarometer für Baden-Württemberg, am Wochenende ist Parteitag der SPD dort. Die Frage ist: Wie tief kann es für die Partei noch hinabgehen?

Zur jüngeren Geschichte der SPD gehören vier Phasen. In der ersten gab es Länder, in denen für sie partout nur Platz zwei zu erreichen war. Dann begann, vor einigen Jahren, erst die zweite und bald die dritte Phase. In der zweiten fiel die SPD im Bund so weit hinter die Union zurück, dass das Kanzleramt wohl lange nicht mehr zu erreichen ist. In der dritten geriet sie in einigen Ländern nicht nur hinter die CDU, sondern auch hinter Grüne und Linke - weshalb sie in Baden-Württemberg und Thüringen nach Jahren in der Opposition nun zwar regiert, aber nur als Juniorpartner ihrer Konkurrenten.

Tiefer geht's nicht? Doch, das geht. Das Ergebnis des Politbarometers für Baden-Württemberg: Die SPD muss jetzt aufpassen, dass sie nicht von der dritt- zur viertstärksten Partei wird. Mit 15 Prozent wird sie gehandelt, weit hinter CDU und Grünen - und von unten kommt die AfD, mit plötzlich elf Prozent. Vier Prozent Abstand noch. Was, um Bebels Willen, macht die SPD derart falsch?

Ein Sprichwort sagt, nichts sei so erfolgreich wie der Erfolg - zugleich gilt aber auch: Nichts ist so erfolglos wie der Misserfolg. In vielen Ländern, vor allem im Süden und im Osten, fehlen der SPD mittlerweile zu viele Ortsvereine; einzelne Abgeordnete sind dort für riesige Flächen zuständig, in denen sie Sichtbarkeit kaum entfalten können. Diejenigen, die die verbliebenen Posten erkämpfen, verkörpern zudem oft eher das Lebensgefühl von Genossen als von Wählern; eine solche Partei ist für gute neue Leute in etwa so attraktiv wie der VfB Stuttgart für Carlo Ancelotti.

In der Regierung ist Sichtbarkeit ebenfalls schwer, wenn man bloß Juniorpartner ist. Dies erlebt die SPD in Baden-Württemberg, in Sachsen-Anhalt (wo ebenfalls am 13. März Wahl ist) und im Bund. Überall regiert sie ordentlich; im Bund ist es eigentlich eine sozialdemokratische Regierung unter einer rot-grünen Kanzlerin, die aus historischen Gründen noch ein CDU-Parteibuch hat. Aber wen nehmen die Württemberger wahr? Immer Kretschmann, nicht diesen Dings von der SPD. Und dann kommt noch das Thema Flüchtlinge hinzu. Es berührt, wenn auch auf verschiedene Weise, den Markenkern von Union und Grünen. Hohe Werte erreicht die SPD nur dort, wo sie die Regierung anführt, wie noch in Rheinland-Pfalz. Dort ist ihre Tragik, dass die 31 Prozent, auf die sie nun taxiert wird, ebenso stark wie zu wenig sind.

Könnte sein, dass sie auch in Mainz zum Juniorpartner wird. Die Sozialdemokraten sind in einer Lage, in der sie es kaum richtig, sondern nur in unterschiedlichem Maß falsch machen können. In die Opposition gehen? Das empfehlen gern diejenigen, denen die Haltung zu einem Problem wichtiger ist als dessen Lösung - ein Phänomen, das unter linken Sozialdemokraten verbreitet ist. Vielleicht liegt hierin zwar nicht der Grund, aber doch einer fürs sozialdemokratische Elend: Zu viele Genossen strahlen zu oft Unbedingtheit aus, in Tateinheit mit schlechter Laune. In Stuttgart erklärt eine stellvertretende Vorsitzende, warum Vertreter der AfD keine Gesprächspartner seien: Die schürten Ressentiments, träten Frauenrechte mit Füßen und wollten zurück zur Atomkraft.

Also, bitte: Für ein Gespräch mit Sozis disqualifiziert man sich jetzt auch, indem man pro Atomkraft ist? Das war schon immer die Devise aller Narzissten: Die Welt könnte so einfach und so gerecht sein, wäre nur jeder derart perfekt wie man selbst.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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