Spanisches Dorf feiert Zuschlag für Atommüll-Lager:Strahlende Aussichten auf Arbeitsplätze

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Ein kleiner Ort in Zentralspanien freut sich. In der Dorfkneipe von Villar de Cañas brandet frenetischer Jubel auf, als die Regierung die Entscheidung verkündet: 700 Millionen Euro werden investiert, 300 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Gebaut wird: Ein Atommüll-Zwischenlager.

Städte und Gemeinden sind stets bestrebt, dass sich Firmen ansiedeln und Arbeitsplätze entstehen. Besonders dann, wenn im restlichen Land Krise herrscht. In Spanien ist sie besonders schlimm derzeit: Fast 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, eine schrumpfende Wirtschaft und ein Staat, der sich nur noch mit Mühe finanzieren kann.

Ein strahlender Bürgermeister: José Luis Saiz (Mitte) feiert gemeinsam mit Dorfbewohnern in dem spanischen Ort Villar de Cañas den Zuschlag für die Ansiedlung eines Atommüll-Zwischenlagers. (Foto: dpa)

Das 500-Seelen-Dorf Villar de Cañas, 130 Kilometer entfernt von Madrid in Zentralspanien gelegen, ist also hocherfreut über die 300 neuen Arbeitsplätze, die in der kleinen Ortschaft in den nächsten fünf Jahren entstehen sollen: Das Fernsehen zeigte Bilder jubelnder Menschen in der einzigen Bar des Dorfes, nachdem die Entscheidung der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy am Freitag verkündet wurde.

In Villar de Cañas geht es allerdings nicht um die Ansiedlung einer Baufirma oder eines Automobilzulieferers, gebaut wird: ein Atommüll-Zwischenlager.

Gorleben in Niedersachsen, mehr als 2300 Kilometer von Villar de Cañas entfernt. Auch ein kleiner Ort, etwas mehr als 600 Einwohner, auf den ersten Blick müsste die Gemeinde ebenfalls interessiert sein, hier Firmen anzusiedeln. Doch dass im Wendland ein Atommüll-Zwischenlager vor allem unter Arbeitsplatz-Gesichtspunkten diskutiert wird, scheint undenkbar.

Gorleben, der Name dieses Ortes steht seit mehr als 30 Jahren als Synonym für den Protest gegen die Atomenergie. Vor einigen Wochen war das wieder spürbar, beim längsten Castor-Transport aller Zeiten, als der Zug mit hochradioaktivem Müll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague von Atomkraftgegnern mehr als 100 Stunden aufgehalten wurde. In Gorleben soll das einzige deutsche Endlager für hochradioaktiven Müll entstehen, doch weil neue Gutachten Zweifel an der Eignung des vorgesehenen Salzstocks aufkommen ließen, will die Regierung im Jahre 2012 die Standortfrage noch einmal neu prüfen.

In Deutschland wird über die Atomenergie generell kritischer nachgedacht als in anderen Ländern, etwa in Frankreich oder auch in Spanien. Gerade ist wieder eine Umfrage veröffentlicht worden: Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa mehr als 1000 Bundesbürger befragt: Demnach fürchten 81 Prozent der Befragten vom Atommüll ausgehende Gefahren "sehr" (45 Prozent) oder "ein wenig" (36 Prozent). Nur fünf Prozent haben in dem Zusammenhang keinerlei Sorgen und lediglich eine kleine Minderheit von 17 Prozent würde ein Endlager am eigenen Wohnort akzeptieren.

60.000 Euro pro Tag

Das ist in Villar de Cañas offenbar anders, wie die Jubelbilder aus der Kneipe zeigen. Allerdings hat auch in Spanien die Suche nach einem geeigneten Standort lange gedauert: Die Entscheidung für den 700.000 Millionen Euro teuren Bau des Zwischenlagers komme mit "mit siebeneinhalb Jahren Verspätung", wie Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría in Madrid sagte. Bereits 2004 hatte eine parlamentarische Kommission dazu aufgerufen, ein Lager zu bauen, in dem in den kommenden 60 Jahren Atommüll aufbewahrt werden kann.

Die Lagerkapazitäten für radioaktiven Müll sind in Spanien längst an ihre Grenzen gestoßen: Das Land lagert den strahlenden Abfall derzeit dezentral in den Atomkraftwerken, an einem Standort in Südspanien sowie in einem französischen Lager, wofür der spanische Staat nach eigenen Angaben täglich 60.000 Euro zahlt.

Ein bisschen Protest gegen das Atomlager in Villar de Cañas gibt es allerdings auch in Spanien: Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Entscheidung und sprach von einem "nuklearen Friedhof", für den Geld verschwendet und ein unnötiges Risiko eingegangen werde. Gegner des Projekts verweisen auch auf das Erdbebenrisiko in der Region.

© AFP/dpa/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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