In Spanien haben am Samstag gleich zwei neue Regierungschefs ihren Amtseid abgelegt. Ein echter Neuanfang nach einer quälenden Epoche des Stillstands, der Winkelzügen und knallharten Konfrontationen. In Madrid schwor der neue spanische Ministerpräsident, der Sozialist Pedro Sánchez, vor dem König den Eid auf die Verfassung - im Übrigen ohne Bibel und Kruzifix, ein Novum. Er versprach, eine "europafreundliche, sozialistische und auf Ausgleich bedachte" Regierung - vor allem letzteres hörte man gerne in Barcelona, wo der neue katalanische Regierungschef Quim Torra den Amtseid ablegte.
In normalen Zeiten wäre Torras Antritt eine Riesennachricht. Schließlich ist damit automatisch die Zwangsverwaltung der Region zu Ende, die die alte spanische Regierung unter Mariano Rajoy über Katalonien verhängt hatte, nachdem der frühere dortige Ministerpräsident Carles Puigdemont die Region im Oktober verfassungswidrig für unabhängig erklärt hatte. Aber Torra ging ein wenig unter im Glanz des Coups von Pedro Sánchez, der die Ära Rajoy am Freitag nach sieben Jahren in einem meisterhaften Handstreich per Misstrauensvotum beendet hatte.
Vielleicht musste Torra deshalb ein wenig lauter aufs Blech hauen als nötig, in dem er ankündigte, natürlich sei auch das Ziel seiner Regierung ein unabhängiges Katalonien - womit die Bruchlinie, an der die neue Regierung Sánchez binnen kurzem scheitern könnte, schon vorgestanzt war. Sanchez' Regierung wird sich im Madrider Parlament nur auf 84 der 350 Abgeordneten stützen können, noch etwas weniger als Rajoys Minderheitsregierung zuvor. Sie wird für jede Entscheidung die Zustimmung der katalanischen Abgeordneten brauchen - und die werden sich ihre Stimme sehr teuer bezahlen lassen. Der neue spanischer Regierungschef ist also maximal erpressbar, was deshalb umso schwerer ins Gewicht fällt, als dass der Sozialist sich von seinem konservativen Vorgänger zwar in fast allen Zielen unterscheidet - nur in einem nicht: Er pocht auf die Einheit Spaniens.
Trotzdem herrscht nun eine andere Gesprächsatmosphäre, nachdem die beiden Streithähne Rajoy und Puigdemont, die fest entschlossen waren, keine Feder am jeweiligen Widersacher zu lassen, aus der Linie sind. Sánchez hat bereits in der Vergangenheit erkennen lassen, dass er mit den Katalanen über den Finanzausgleich, der ja Stein des Anstoßes war - reden würde. Er hat eine Kommission ins Gespräch gebracht, die die Verfassung von 1978 überarbeiten und den Regionen mehr Rechte einräumen soll.
In Acht nehmen muss er sich bei Zugeständnissen an die Katalanen jedoch vor seiner eigenen Partei, die ihre Machtbasis in Andalusien hat, eine der ärmsten Regionen, wo besonders viele Transferzahlungen hingehen. Aus Andalusien stammt seine schärfste innerparteiliche Widersacherin, die streitbare Susana Díaz, die Sánchez als Vorsitzenden unbedingt verhindern wollte - und die nun wohl in die neue Regierung aufrücken muss, damit sie Ruhe gibt.
Sánchez hat also nicht nur mit renitenten Katalanen und Basken und drei großen gegnerischen Parteien im Parlament zu tun, den Linksalternativen von Podemos, Rajoys Konservativen und den liberalen Ciudadanos, sondern auch mit den eigenen Leuten. Ein guter Grund, warum viele Kommentatoren seiner Regierung keine lange Lebensdauer einräumen. Ob er es schafft, schnell seine ehrgeizige Agenda umzusetzen, bleibt fraglich, zumal er gelobt hat, den von Rajoy durchgesetzten Haushalt zu respektieren - und sich auch an die Vorgaben aus Brüssel zu halten.
Pedro Sánchez ist ein eher linker Sozi, ihm geht es vor allem darum, die schlimmsten Härten der bleiernen Spar- und Kürzungsjahre abzumildern, die Spanien auf Weisung aus Brüssel und Berlin unter Rajoy durchlebte. Er will anders als Rajoy in Wissenschaft und Technik investieren - das ist der Bereich, in dem Spanien am meisten Nachholbedarf hat; Rajoys Politik hatte aus den Spaniern eher ein Volk der Kellner gemacht.