Spanien:Kein Kuss, kein Abendessen

In Madrid gelten strenge Regeln, auch für die königliche Wache. (Foto: Bernat Armangue/AP)

Nicht nur die Madrider müssen ihren Alltag stark umstellen.

Von Karin Janker

Viele Madrilenen sind bereit, ihren Teil dazu beizutragen, dass die hohen Corona-Zahlen wieder sinken. Sie verzichteten, trotz besten Wetters, auf einen Ausflug am langen Wochenende zum Nationalfeiertag an diesem Montag. Sie tragen Maske, sobald sie die Wohnungstür hinter sich zuziehen, und setzen sie nicht einmal beim Spazierengehen im Park ab. Und sie haben aufgehört, sich zur Begrüßung zu küssen und zu umarmen, was schon ein ziemlich tiefer Eingriff in die Seele der Spanier war, die sich so gerne lauthals und körperlich ihrer gegenseitigen Zuneigung versichern.

Nun haben die Corona-Maßnahmen in Spaniens Hauptstadt auch Konsequenzen für Tagesablauf und Sättigungsgefühl. Die Spanier, die traditionell mit vollem Magen schlafen gehen, sollen ihr Abendessen nach vorne verschieben. Üblicherweise setzt man sich in Spanien erst gegen 22 Uhr zum Essen. Auch Kinder werden nicht früher ins Bett gesteckt, sondern bleiben selbstverständlich auf.

Vor knapp zwei Wochen hat die Zentralregierung die Hauptstadt abgeriegelt, weil die 14-Tage-Inzidenz von Madrid mit 502 Infizierten auf 100 000 Einwohner fast doppelt so hoch ist wie der spanische Durchschnitt. Im Zuge dessen wurde auch die Sperrstunde der Lokale auf 23 Uhr festgesetzt. Nun schlagen die Gastronomen Alarm: 75 000 Abendessen weniger seien am ersten Wochenende ausgegeben worden, so der Branchenverband. Erste Wirte haben begonnen, ihre Küchen früher zu öffnen - nur fehlen bislang die Gäste. Denn Hunger lässt sich offenbar nicht verordnen.

© SZ vom 14.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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