Sozialisten in Frankreich:Ein Programm, zwei Charaktere

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Sie wirkt streng, gibt sich sicher und kämpferisch, setzt aber ihren Charme äußerst sparsam ein. Er gilt als umgänglich, lacht viel, ist bisweilen aber auch etwas fahrig. Frankreichs linke Präsidentschaftsbewerber Martine Aubry und François Hollande unterscheiden sich vor allem im Stil. In einem TV-Duell mussten sie sich Mühe geben, um programmatische Unterschiede zu finden.

Stefan Ulrich

Sage keiner, die französischen Sozialisten könnten sich nie einigen. Am Mittwochabend trafen sich die Parteichefin Martine Aubry und ihr Vorgänger François Hollande zum finalen Fernsehduell vor der Stichwahl des Präsidentschaftsbewerbers am Sonntag. Die robuste Aubry wollte ihrem Kontrahenten im Studio des Staatsfernsehens frontal gegenübersitzen. Hollande bestand darauf, sich harmonisch neben seine Rivalin zu platzieren. Der Kompromiss: Die beiden setzten sich schräg zueinander und bildeten ein Dreieck mit dem Moderator.

Und auch inhaltlich fanden die Spitzen-Sozialisten, die beide bei der Präsidentschaftswahl 2012 den Staatschef Nicolas Sarkozy schlagen möchten, zueinander. Sie betonten um die Wette, dass eine künftige sozialistische Regierung in Frankreich sorgsam haushalten und Schulden abbauen werde. "Ich bin gegen Schulden", diese seien ein Feind der Linken, sagte Hollande.

Aubry drückte sich in der Sache ähnlich aus. Europa darf demnach damit rechnen, dass Frankreich in jedem Fall den Konsolidierungskurs fortsetzt, den Sarkozy versprochen hat. Einig waren sich die Kandidaten auch darin, Steuervergünstigungen zu streichen, 300.000 sogenannte Zukunftsarbeitsplätze für junge Leute zu schaffen und dem Staat ein stärkeres Mitspracherecht bei Banken zu geben, denen mit öffentlichem Geld geholfen wird. Auch mit Hollande oder Aubry an der Spitze wird sich Frankreich für Europa und den Erhalt des Euro engagieren.

Im Detail setzten die Kontrahenten aber unterschiedliche Akzente. Hollande möchte mit höheren Steuereinnahmen vor allem Schulden abbauen, während Aubry ankündigte, die eine Hälfte für die Haushaltssanierung und die andere Hälfte für Investitionen ausgeben zu wollen. Hollandes Plan, binnen fünf Jahren 60.000 Lehrerstellen wieder zu schaffen, die Sarkozy gestrichen hat, erachtet Aubry als schwer finanzierbar. Gar nichts hält sie von Hollandes Vorschlag, dass Arbeitgeber weniger Sozialbeiträge zahlen müssen, wenn sie junge Leute einstellen und ältere Menschen bis zur Rente beschäftigen. Solche Konzepte hätten sich bereits als erfolglos erwiesen.

Sarkozys Reform, das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahren anzuheben, möchten die Sozialisten wieder rückgängig machen. Das wirft Fragen auf, wie sich das mit den Sparschwüren der Bewerber verträgt. Der konservative Figaro, die Hauszeitung Sarkozys, spottete am Donnerstag, es zeichne sich ein "Old-Fashion-Sozialismus" ab, der mehr Steuern und mehr Staat bedeute.

Wirklich duelliert haben sich Aubry und Hollande allerdings auf persönlichem Terrain. Die Parteichefin warf ihrem Vorgänger vor, er sei zu "weich" und "schwammig", ändere häufig die Meinung und habe - im Gegensatz zu ihr - nie als Minister Erfahrung gesammelt. Sie dagegen sei "keine weiche Linke". "Ich verteidige das, woran ich glaube, mit Entschlossenheit, auch wenn es anderen nicht gefällt", sagte sie. Hollande konterte, er wolle weder eine weiche noch eine harte - sondern eine solide Linke. Sarkozy habe das Land brutal regiert, nun müsse es befriedet werden. Dafür sollten die Sozialisten keinen engstirnigen Kandidaten aufstellen. Mit engstirnig meinte er Aubry.

Die Anhänger der Linken, die bei der Stichwahl am Sonntag abstimmen, können demnach weniger zwischen zwei Programmen als zwischen zwei sehr unterschiedlichen Charakteren wählen: hier der umgängliche Hollande, der viel lacht und gestikuliert, das Versöhnliche betont, bisweilen aber auch nervös und fahrig auftritt; dort die streng wirkende Aubry, die sicher, hart und kämpferisch agiert, ihren Charme im Vergleich mit Hollande aber äußerst sparsam einsetzt.

Bis vor kurzem galt Hollande als klarer Favorit, da man ihm eher zutraute, Wähler der Mitte anzusprechen und so Sarkozy zu besiegen. Seit einigen Tagen aber scheint sich der Trend zu drehen. Aubry holt in Umfragen auf. Umso mehr kommt es Hollande gelegen, dass er Hilfe von überraschender Seite erhält. Ségolène Royal, die sozialistische Präsidentschaftskandidatin von 2007, rief jetzt ihre Anhänger in der Partei auf, am Sonntag für Hollande zu stimmen. Das hat seinen besonderen Reiz. Royal und Hollande waren Jahrzehnte ein Paar und trennten sich offiziell erst 2007. Nun finden sie politisch wieder zusammen.

© SZ vom 14.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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