Soziale Netzwerke:Zum unguten Ton

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Muss Facebook künftig Hass-Posts suchen und löschen?

Von Wolfgang Janisch

Es war eine jener Beleidigungen, die in der täglichen Schlammschlacht der sozialen Medien zum unguten Ton gehören. Eva Glawischnig, damals Grünen-Vorsitzende in Österreich, äußerte sich 2016 zur Einwanderungspolitik ("Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben"). Was folgte, war allenfalls in der Wortwahl überraschend. Sie sei eine "miese Volksverräterin", ein "korrupter Trampel", sie habe in ihrem Leben noch keinen Cent mit ehrlicher Arbeit verdient. Und die Grünen seien eine "Faschistenpartei". Absender war ein gefälschter Facebook-Account. Facebook löschte den Post nur zögerlich, aber Glawischnig konterte mit einer Klage, die den globalen Player dann doch in die Defensive brachte.

An diesem Dienstag verhandelte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über den Fall. Der Oberste Gerichtshof Österreichs hatte dem EuGH Fragen vorgelegt, die letztlich auf die Verantwortung für mehr Sauberkeit im Netz zielen. Reicht es, wenn - wie hier geschehen - ein Post nur in Österreich gesperrt wird? Obwohl doch jeder, der schon mal vom VPN-Tunnel gehört hat, alles aus dem Ausland wieder zurückholen kann? Oder müsste Facebook in solchen Fällen weltweit sperren? Und müsste das Netzwerk nicht auch Vorsorge betreiben, um "sinngleiche" Behauptungen künftig zu unterbinden? "Hass und Hetze bereiten unserer Gesellschaft zunehmend Probleme", warnte Glawischnigs Anwältin Maria Windhager. Facebooks österreichischer Anwalt Georg Kresbach dagegen wiegelte ab: "Der Post mag extrem oder angriffig gewesen sein, war aber immer noch Ausdruck einer politischen Meinung."

Der Fall rührt ans Herz der digitalen Ordnung. Denn nach der E-Commerce-Richtlinie ist eines klar: Providern aller Art, die nur als Vermittler für User fungieren, darf keine allgemeine Überwachungspflicht abverlangt werden. Schon deshalb nicht, um einem Netzwerk nicht einen europarechtlichen Vorwand für eine allgemeine Zensur zu liefern, sagte Gerald Braun von der EU-Kommission. Allerdings schwelt eine gewisse Unzufriedenheit mit dem bisherigen "notice and take down"-Verfahren. Auch, weil Facebook nachgesagt wird, auf solche Hinweise mit widerwilligen Minimalmaßnahmen zu reagieren, wenn überhaupt.

Mag sein, dass der EuGH die Schrauben ein wenig anzieht. Gerald Braun versicherte zwar, dass es nicht um aufwendige Filtersysteme gehen könne - schon deshalb, weil das kleine Anbieter überfordern würde. Aber er ließ durchblicken, dass ein Gericht Facebook auf eine gewisse Nachhaltigkeit im Kampf gegen Hass verpflichten sollte - ohne Filter, aber mit genauen Anordnungen gegen Übeltäter.

Mit einem Urteil ist im Sommer zu rechnen, und womöglich entwickelt der Gerichtshof neue Kriterien für wirkungsvollere Sperren. Ob gerade Politikerinnen wie Eva Glawischnig davon besonders profitieren werden, darf aber bezweifelt werden. Richter Jiří Malenovský, Berichterstatter des Verfahrens, wies auf die Besonderheiten der "politischen Debatte" hin. Dort muss man mehr ertragen, sollte das heißen, auch dumpfe User genießen schließlich Meinungsfreiheit. Wobei der Post mit der "Volksverräterin" im Netz ohnehin nicht gut ankam. Er hatte nur elf Likes.

© SZ vom 14.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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